Wir erinnern uns an den knuffigen Hund mit den zwei Köpfen auf dem Cover von “Houdini” (1993). Knapp 30 Jahre später kommen die Kalifornier mit dem “Five Legged Dog” ins Dorf geritten – 36 Lieder aus fast 40 Jahren fantastischen Lärms, querfeldein aus allen Phasen und Inkarnationen des Melvins-Irrsinns. Und das auch noch unplugged, was üblicherweise neben der Kooperation mit einem Symphonie-Orchester das eitrigste Symptom der künstlerischen Verwahrlosung offenlegt. Doch die Dichte von Buzz Osbornes Gitarre, Dale Crovers gewuchteten Drums und Steven McDonalds verspieltem Bass ist beeindruckend. Die Geschmacksexplosion kommt allerdings von unverhofftem Posten aus, weshalb wir über McDonald (Redd Kross, OFF!) reden müssen, den mittlerweile ungefähr 362. Bassisten der Melvins. Crover und Osborne sollen den Typen bitte festhalten und nie wieder hergeben. McDonald kann nämlich auch singen und was er hier gemeinsam mit Osborne gesanglich abliefert, ist sensationell. Selbst alte Stampfer wie “Boris”, “Anaconda” oder “Night Goat” entwickeln in dieser Harmoniewelt völlig neue Spannkraft. Wie “Let God Be Your Gardener” stellt man sich wiederum die Manson-Family 1966 beim Lagerfeuer vor, und “Eye Flys” gleitet fast unbemerkt in “Woman” von “Free” über. “Fred Neils Everybody’s Talking”, verstärkt durch Jeff Pinkus (Butthole Surfers und einer der 361 anderen Bassisten der Melvins), haut dem Fass endgültig den Boden raus – und das ausgerechnet mit Herzenswärme. Einziges Manko von “Five Legged Dog”: Diese üppige Retrospektiveist zeitintensiv, denn jede der teils fast nihilistischen Interpretation führt zurück zum Original – kurz gucken, wie das damals eigentlich war, und feststellen, dass in knapp 40 Jahren auch einiges durchgerutscht ist: “We Are Doomed” von der “The Bulls & The Bees” EP (2012) ist zumindest ein Hit. Ebenso die Coversongs “Halo Of Flies” (Alice Cooper), “Flypaper” (Brainiacs) und “Charlie” (Redd Kross). “Sway”, im Original von den Rolling Stones, wird hier zu einem fast, hihi, beatlesken Wonneproppen mit ergreifendem Pathos. Selbst die einst riff-gewaltigen “Revolve” und “Honey Bucket” bringen die Melvins breitbeinig nach Hause. Heavy, aber eben anders heavy als sonst. Doch bei aller Verzückung sollte man auch realistisch bleiben: Wahrscheinlich sind die Melvins einfach nur die beste Band der Welt.
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