Miles Benjamin Anthony Robinson
Summer Of Fear
Text: Daniel Gerhardt
Beim ersten Mal ist Miles Benjamin Anthony Robinsons Stimme auf “Summer Of Fear” mit ihrer Tendenz zur Meckerziegigkeit nur schwer zu ertragen, aber beim ersten Mal ist auch Crack-Rauchen nur schwer zu ertragen. Man gewöhnt sich an alles, das ist eine Sache, die Robinson vom Leben gelernt hat, und es gehört wahrscheinlich zu den besseren Dingen, die er darüber sagen kann. Wie er der verbitterte, zutiefst misstrauische Songwriter wurde, der hier “Don’t know anybody/ Who couldn’t let me down” singt und abseits von der Musik noch schneller an seiner Selbstzerstörung arbeiten soll als in seinen Liedern, ist eine oft erzählte und immer wieder unbefriedigende Geschichte: Andere haben auch Drogen genommen, und andere waren auch obdachlos, aber sie schreiben kein erstes Album darüber, dem nun ein zweites Album darüber folgt, das schon fertig war, bevor das erste 2008 erschienen ist.
“Summer Of Fear” ist an 50 Aufnahmetagen in einem New Yorker Tonstudio entstanden, was viel Zeit ist für eine Indierock-Platte, aber nach enger Terminplanung klingt, wenn man es erst mal gehört hat. Das Album ist 67 Minuten lang und im Herzen eine 70s-Rockplatte, es hat E-Piano-Songs, Trompeten-Songs, Streicher-Songs und Gitarrensolo-Songs, aber die meisten Songs bestehen aus all diesen Dingen gleichzeitig. Kyp Malone von TV On The Radio ist der Produzent von “Summer Of Fear” und somit verantwortlich für das unglaubliche Chaos darauf. Er hat Robinsons Vocals ganz nach vorne gemischt, aber der singt sie so fahrlässig und ruhelos, dass man fast kein Wort versteht. Beide hatten die Idee, sich am Adult-Oriented-Rock zu orientieren, jener Spielart der Rockmusik, die überall dort im Radio läuft, wo Amerikaner noch Radio hören und Republikaner wählen, aber dann haben Robinson und Malone diesen Schlamassel aufgenommen, in dem vorne und hinten wenig und fürs Radio schon gar nichts zusammenpasst. Nur eine Sache war wohl nicht geplant, und das ist das dreckige, kaputte Meisterwerk, zu dem “Summer Of Fear” letztlich geworden ist.
Das Wüste und das Zerstörerische standen schon Robinsons unbetiteltem Debütalbum ins Gesicht geschrieben, jetzt kommen auch noch Selbstmitleid und der freudloseste Klopf, klopf-Witz aller Zeiten in “Summer Of Fear Pt. 2” dazu. Aus “The 100th Of March” stammt die Textzeile am Anfang der Rezension, und der Song dazu hat ein spektakuläres Duell zwischen Robinsons Gesang und einer Trompete, von der nur schwer zu sagen ist, ob sie versucht, ihn zu unterstützen oder nachzuäffen. Die Rollen sind klarer verteilt in “Death By Dust”, das aus dem Ruder läuft wie ein Song von Bruce Springsteens E-Street-Band, aber dann noch weiter aus dem Ruder läuft mit Bongos, Baritonsaxofon und Handmixer-E-Gitarre, bis die Streicher schon im ganz großen Bogen ausholen müssen, um noch was zu retten. Erst wenn das elfminütige “More Than A Mess” von ganz tief unten kommt, hat man Gelegenheit, sich ein paar Gedanken über das zu machen, was hier über einen hereinbricht, was mit diesem Typ geht und ob ihm noch zu helfen ist. Es gibt eine ehrliche Antwort darauf, und es gibt die Möglichkeit, “Summer Of Fear” noch mal zu hören. Man gewöhnt sich an alles.
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Untitled
VÖ: 30.09.2008