Eine Band wie die Geysire ihrer Heimat: eruptiv, unkontrollierbar und verdammt heiß. Und so ganz nebenbei verdienen sich Minus den Titel `sickest band in the world`.
Und wenn ich hier von sick rede, meine ich nicht etwa ein paar Kerle, die mal zwischendurch die Prügel-Sau rauslassen. Minus zeigen tatsächlich eine Zukunft des Hardcore auf: “Jesus Christ Bobby” erweitert die Schublade Katharsis-Musik um einen weiteren Entwurf. Und was das Faszinierende daran ist: Hier geht es nicht nur um psychischen Exorzismus, sondern auch um physischen. Es ist absolut nicht vorstellbar, dass Minus diese Platte ohne körperliche Schmerzen aufgenommen haben. In beeindruckender Intensität krachen die Songs ins Gedärm, tanzen um die Eingeweide, beißen, stechen, reißen an ihnen wie ein Bandwurm mit Widerhaken. Minus kommen aus Island, doch einen Exotenbonus haben sie gar nicht nötig. Nichtsdestotrotz fragt man sich, was denn zum Teufel eine Band in Island so wütend machen kann. Eine gewisse Ambivalenz in der Bewertung dieser Platte lässt sich trotz alledem nicht von der Hand weisen: Nähert man sich Minus nämlich mit Noise-Kategorien, lassen die Isländer mitunter interessante Strukturen ebenso vermissen wie die gezielte Sektion typischer Rock-Leichen. Aber genau das scheint auch nicht ihr Ziel zu sein. Minus sind Sklaven ihrer Schmerzen und suchen nicht nach Heilung, sondern nach einem Ventil. Während die befreundeten Sigur Rós, die in Island auf dem gleichen Label erscheinen, die Weite und Unberührtheit der isländischen Landschaft vertonen, sind Minus ihr Eskapismus – ein brachiales Monster, im Dunkel der Polarnacht geboren und mindestens genauso beängstigend. Auch wenn beide Bands auf den ersten Blick keine Gemeinsamkeiten haben, eint sie doch eins: die Suche nach der größtmöglichen Intensität des musikalischen Ausdrucks.
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