Der Jahresrückblick in VISIONS Nr. 202 beweist es, sie sind alle wieder da, stärker denn je: Dinosaur Jr., Alice In Chains, Built To Spill – und wer wären Motorpsycho, wenn sie da nicht mithalten könnten? Allein, was heißt hier mithalten? Voran gehen! Erst im Juli haben sie zum 20-jährigen Bandbestehen ein Album veröffentlicht, jetzt schon kommt der Nachschlag. Und der Umstand, dass “Child Of The Future” im Sommer nicht unseren Soundcheck passiert hat, ist allein der Tatsache geschuldet, dass Motorpsycho eine strikte Nur-Vinyl-Veröffentlichungspolitik praktizierten. So konsequent altmodisch und überhaupt so konsequent muss man erst einmal sein. Mittlerweile haben zwei Quartale den Abrisskalender schmaler gemacht, und nun sind sie schon wieder da: Motorpsycho in ihrer nicht mehr enden wollenden Blüte mit der “Heavy Metal Fruit”. Durchaus, das Songwriting läuft mittlerweile wie am Schnürchen, wie Carsten Sandkämper in der Rezension zum Vorgänger schon unumstößlich festgestellt hat. “Ein Gitarrensolo ist zu wenig”, schrieb er damals, und das gilt noch immer. Motorpsycho haben den Drive der beiden Vorgänger mitgenommen, zwiespältige Alben wie “It’s A Love Cult” erscheinen mittlerweile wie vergessene Relikte.
Statt Popkitsch also der Rockritt. Dass hier Songwriting stattfindet, mit dem man sich sofort anfreunden kann, macht “Heavy Metal Fruit” umso spannender. Es beginnt schon damit, dass dieses Album sich als keine Sammlung von ein paar Songs versteht. Wenn auf der Tafel mit den Gesetzen des Marktes steht: “Du sollst mindestens zehn Songs auf deiner Platte haben”, dann sind Motorpsycho die ersten, die zum Schwamm greifen. Sechs Einträge im CD-Player-Display können vorschnell traurig machen, wer aber die Anzeige umstellt, sieht: Spielzeit 62 Minuten. “Heavy Metal Fruit” ist dennoch nie überladen, den Ritt ins Firmament scheinen Motorpsycho auf der Sackkarre zu unternehmen. Wo “Child Of The Future” noch seine Momente der Improvisation hatte, solche Phasen, wo man Motorpsycho einfach glauben musste, dass sie einen alsbald wieder in den Song zurückführen, gibt sich “Heavy Metal Fruit” zwar gleichzeitig genauso spinnert, kommt aber schneller auf den Punkt.
Dabei sind Motorpsycho nicht allein unterwegs, Mathias Eick (Jaga Jazzist) ist auf diesem Album ebenso vertreten wie Hanne Hukkelberg, die mit Hans Magnus “Snah” Ryan im letzten Song ein Duett-Stelldichein hat. Überhaupt, dieser Abschluss “Gullible’s Travails Pt. I-IV” – mehr Spannung werden Motorpsycho in den nächsten Jahren wohl nicht mehr erreichen. 22 Minuten als Quintessenz dessen, womit ihr Name seit “Demon Box” oder “Timothy’s Monster” in Verbindung gebracht wird: exzessiv, spielerisch, rockig. Dank Alben wie dieser sieht man gerne von den erwähnten, allzu klebrigen Bombastpop-Irritationen zum Anfang des Jahrzehnts ab. Und wenn man nach dem Geheimnis ihrer erfolgreichen Rückbesinnung sucht, wird man über den Namen Kenneth Kapstadt sprechen müssen. Der Motorpsycho-Drummer hat sich zwischen den verbliebenen Kernmitgliedern als Impulsgeber durchgesetzt, an seinem Spiel scheint sich der Rest der Band zu orientieren. Man darf hoffen, dass dieser Progrock-Zivi den alten Herren noch lange die Stange hält.
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