Von Album zu Album üben Motorpsycho seit jeher diese Befreiungsschläge. Auf den Pop von “Blissard” folgte das experimentelle “Angels And Daemons At Play”. Dessen Ungeschliffenheit wurde vom epochalen “Trust Us” gekontert. Und so weiter. Auch nach der Gullvag-Trilogie wollten die Norweger im Grunde ein simples Kompendium aus Songs zusammenstellen, die auf dem Vorgänger keinen Platz gefunden hatten. Ein paar waren im Laufe der “The All Is One”-Session in den französischen Black Box Studios entstanden und liegen geblieben. Dann kam Corona und Bent Saether, Hans Magnus Ryan und Thomas Järmyr hatten auf einmal mehr Zeit als ihnen lieb war. Das “Kingdom Of Oblivion” gewann an Gewicht und Material, heimische Sessions wurden im eigenen Studio verfeinert, das Rohmaterial aus Frankreich revidiert. Herausgekommen ist erneut ein umwerfend dichtes Album, dessen Hooks und Melodien einen bis in den Schlaf verfolgen. Allen voran kann der Titelsong getrost als eine der großartigsten Rock-Hymnen von Motorpsycho bezeichnet werden, dicht gefolgt vom Album-Opener “The Waning, Part 1”, dessen erdiger Shuffle Erinnerungen an den Stoner-Rock von “Still Life With Eggplant” heraufbeschwört. “Kingdom Of Oblivion” ist einer der perfekt durchdeklinierten Hits, für die Ryan verantwortlich zeichnet. Zwischen den großformatigen Stücken setzt Saether mit “Lady May”, “Atet”, “The Hunt” und “After The Fair” kleine akustische Verschnaufpausen, um dem Drama einen wellenförmigen Verlauf zu geben. Auf dem Album regieren jedoch von Riffs getriebene Stücke jenseits der Sechs-Minuten-Marke. “The United Debased” gehört spirituell eher auf eine der frühen Rainbow-LPs, “At Empire’s End” erinnert an die Greg-Lake-Phase von King Crimson und das treibende “The Transmutation Of Cosmoctopus Lurker” ist eine dieser formwandelnden Motorpsycho-Suiten, die schon jetzt einen Stammplatz im Programm der nächsten Konzerte haben dürfte. Genau dieser Song demonstriert zudem die unfassbare Chemie der Band: Mitten im Stück wechselt das Trio in eine radikal andere Zählzeit, zerstückelt jeglichen Schöngeist in Dissonanzen und behält gleichzeitig den Groove, um schließlich in einem minutenlangen Abebben den Song schlafen zu legen und mit dem nicht nur im Namen an Fleetwood Macs “Albatross” erinnernden “Cormorant” das Album sanft zu beenden. Motorpsycho sind ihre eigene Version von Prog, unprätentiös und bestimmt, Grenzen sprengend und in den eigenen Grenzen glänzend.
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