Nachdem Schlagzeuger Antonio Postius seinen Ausstieg bei Mourn bekanntgegeben hatte, fand sich mit Víctor Pelusa zumindest für den Studiobesuch ein äußerst würdiger Nachfolger, der “Self Worth” genau so kraftvoll nach vorne peitscht, wie der Vorgänger es getan hätte. Oberflächlich scheppert also alles verlässlich weiter, doch darunter ist die Bandstruktur in bedeutsamer Weise mutiert. Die kreativen Fäden haben jetzt nämlich einzig Carla Pérez Vas, Jazz Rodríguez Bueno und ihre Schwester Leia in der Hand, was der grundlegenden Dynamik der Platte anzuhören ist. Hatte sich ihr rumpelnder Indierock auf den Vorgängern teils in breite Post-Punk-Sphären gewagt, geht “Self Worth” nun wieder den direkten Weg des Debüts “Mourn” von 2016. In der Zwischenzeit haben die Katalaninnen zudem ihr Blickfeld geweitet, weswegen die Zündschnur diesmal nicht nur zu innerpersönlichen Problemen, sondern auch zu gesellschaftlichem Protest führt. Zu peitschenden Gitarren, die sie gerne zu Wänden auftürmen, geben sie mal ihren eigenen Dämonen richtig eine mit (“I’m In Trouble”), mal dem Patriarchat, das Frauen in jeder Lebenssituation be- und verurteilt (“Men”), mal schlagen sie auch einfach nur wild um sich. Einzig “The Tree”, das in der Mitte des Albums steht, bietet neben all dem bissigen Gerumpel etwas Raum für weiträumigere Arrangements. Ansonsten sparen sich Mourn größere Verschnaufpausen und kanalisieren ihren Frust lieber in stoisch-repetitivem Gesang. Dank des neu gewonnenen Fokus auf ihre Stimmen als gleichwertiges Instrument im Bandsound erweist sich “Self Worth” nämlich nicht nur musikalisch als bislang intensivste Mourn-Platte. Besonders “Stay There” stolpert so über jeden Takt tiefer in eine kollektiv empfundene Aggressivität hinein. Die Stimmbänder sind dabei bis zum Zerreißen gespannt. Auch das sehr lange Intro von “It’s A Frog’s World” profitiert von der Mehrfachbesetzung am Mikro, schichten Mourn doch hier eine Ebene auf die andere. “Self Worth” sei Mourns bislang erwachsenstes Album, behauptet ihre Plattenfirma, obwohl schnörkelloser Frustabbau sonst ja eher als jugendliches Gut deklariert wird. Sei’s drum, das Leitbild des Albums füllen Mourn so oder so mit frisch gewonnenem Enthusiasmus. Beine hochlegen ist eben erst nach dem großen Getöse drin.
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