Als Adoptivkinder wären die Vier vermutlich auch wirklich reizend. Bandchefin Carla Pérez Vas, im roten Rollkragenpulli, mit der Hand auf der Schulter ihrer besten Freundin Jazz Rodríguez Bueno. Deren gerade mal 18-jährige Schwester Leia Rodríguez mit dem ansteckenden Lächeln und Schlagzeuger Antonio Postius, der aussieht, als ob er gerade eine für seine Umwelt eher schwierige Phase durchmacht. Auch für die Band war die Zeit seit der Veröffentlichung des Vorgängers 2016 nicht leicht. “Ha, Ha, He” konnte den guten Ruf ihres ungestümen, selbstbetitelten Debüts von 2015 lässig verteidigen, doch dann zog die heimische Plattenfirma den Stecker, weil sie im Clinch mit dem US-Label lag. Jetzt, wo das Songwriting-Embargo abgelaufen ist, kommen Mourn angepisster zurück als jemals zuvor. Und cleverer. Einen kleinen Hit haben sie der ganzen Sache schon einmal abgetrotzt, denn “Doing It Right” zitiert aus dem mühsamen E-Mail-Verkehr mit dem Label und verwandelt ihn in einen veritablen Punkrocksong. Punkrock wird bei Mourn natürlich nach wie vor anders definiert als bei den tätowierten T-Shirt-Typen, die auf der Bühne die Sau rauslassen und auf Platte den Gesang dann trotzdem ganz clean und weit nach vorne mischen. Ihr Ding sind eher die scheppernden, quietschenden und qualmenden Songs mit stimmlicher Doppelspitze, die halbfertig immer perfekter klingen, als ordentlich zu Ende komponiert. Postius’ Schlagzeugspiel hat nach wie vor mehr Ellenbogen als eine ganze Eishockeymannschaft, und wenn Mourn so richtig mies gut drauf sind, klingen ihre Songs wie Tritte gegen das Schienbein von wohlverdienten Adressaten. In der Youth-Against-Tourism-Hymne “Barcelona City Tour” sind das zum Beispiel die Easyjet-Horden, die sich durch die katalanische Metropole wälzen, um ihr Leben in ein riesengroßes Selfie zu verwandeln. In “Bye Imbecile!” geht es gegen Leute, die man früher Idioten nannte und die heute “toxische Beziehungen” führen. Befreiend soll “Sorpresa Familia” sein, sagen Mourn, die Band ohne Make-up und von ihrer animalischen Seite zeigen. Dafür reichen in elf der zwölf Songs Laufzeiten von teilweise weit unter drei Minuten, um die stichwortartigen Songnotizen effektiv vom Stapel zu lassen. Zweimal, in “Orange” und “Sun”, klingen sogar kurz melancholische Töne an, nur um nach 60 Sekunden doch wieder von krachenden Gitarren zersägt zu werden. Willkommen zurück!
weitere Platten
Self Worth
VÖ: 30.10.2020
Ha, Ha, He
VÖ: 03.06.2016