Die größte High-Tech-Rockband der Welt kennt keine Grenzen mehr. Moment: Rockband? Ja! Auf dem Vorgänger “Simulation Theory” (2018) hatten Muse das menschliche Element ihrer Musik noch bis ans Limit elektronisch verfremdet und mit Effekten beladen. Und jetzt das: Der stampfende Glamrock des Titelsongs verneigt sich vor T.Rex und Marilyn Manson gleichermaßen, “Won’t Stand Down” überfährt seinen Elektro-Soul nach kurzer Zeit mit brizzelnden Metalgitarren, “Kill Or Be Killed” stellt den psychotischen Nu Metal des Millenniums in den Dienst von opernhafter Größe und fährt mit dem Gitarrensolo bis hinauf zu den Sternen – bei Muse ist der Rock zurück! Dass hier trotzdem auch weiterhin die Synthesizer, Vocoder und Roboterstimmen mitregieren: geschenkt. Der Pop-Sound von “Verona” will schließlich das Gleiche von den 80ern wie die Fans von “Stranger Things” und “Tron”, entsprechend gut unterhält er. Wie der Rest des Albums, auf dem Muse in “We Are Fucking Fucked” taumelnde Alt-Metal-Gesangseskapaden im Stil von Serj Tankian zelebrieren und für “You Make Me Feel Like It’s Halloween” das “Crazy Train”-Riff auf einer futuristischen Kirchenorgel zitieren. Und weil’s natürlich ein leichtes Ziel ist: Ja, man darf sich so hemmungslos bei Queen bedienen wie Muse für “Liberation” – wenn man es so gut macht.
9/12 Jonas Grabosch
Das soll eine Rockband sein? Da blöken ja die Schafe. Diese Anbiederung an den Zeitgeist macht betroffen. Was Muse im Titelsong mit “The Beautiful People” und T.Rex anstellen, kann man nicht mehr guten Gewissens eine Verneigung nennen. Eher einen doppelten Abklatsch. Der Song wäre trotzdem ganz okay, würde Matt Bellamy nicht wieder seine orwellianische Paranoia auspacken und im Schlussteil aus den “people” die “sheeple” machen. Da wünscht man sich fast zurück zu “Black Holes And Revelations” und “Take A Bow” und seinen Fantasien von korrupten Politikern im Höllenfeuer – aber nur fast, Stichwort Holzhammer. Damals gab es mit “Soldier’s Poem” übrigens die einzige legitime Queen-Hommage von Muse, darin hielt sich Bellamy nämlich ausnahmsweise zurück. Dass er spätestens seit “The Resistance” (2009) auf Zurückhaltung pfeift, ist die große Krux dieser hochtalentierten Band. Heutzutage muss man sich schon fragen, ob das in “Kill Or Be Killed” wirklich Gitarren sind oder nicht vielleicht verfremdete Synthies. In denen suhlt sich der Großteil von “Will Of The People” unzweifelhaft. Kapiert, die 80er sind angesagt, das will ausgenutzt werden. Dann muss der Prince-Charme, der irgendwo in “You Make Me Feel Like It’s Halloween” steckt, in klebrigem Kirmesgrusel ersticken. Ein Schafskopf, wer das nicht beklagenswert findet.
4/12 Martin Burger
weitere Platten
Simulation Theory
VÖ: 09.11.2018
Drones
VÖ: 05.06.2015
The 2nd Law
VÖ: 28.09.2012
The Resistance
VÖ: 11.09.2009
Black Holes And Revelations
VÖ: 30.06.2006
Absolution
VÖ: 22.09.2003
Hullaballoo
VÖ: 01.07.2002
Origin Of Symmetry
VÖ: 17.07.2001
Showbiz
VÖ: 07.09.1999