Immerhin hatte der singende Schlagzeuger Sacha Schmitz auf den bisherigen Alben “Danger Mouth” (2009) und “Trials” (2012) mit seiner Performance zwischen Crooning und Gekreische für jede Menge Variabilität im Soundkonstrukt der Luxemburger gesorgt. Auf “Digital Tropics” erfinden sich Mutiny On The Bounty als Instrumental-Band neu und geben ihren Instrumenten dafür lautere Stimmen und injizieren ihrem Mix aus Mathrock, elektronischen Klangfarben und Postrock eine fast schon unerhörte Tanzbarkeit ein. Das passend betitelte “Dance Automaton Dance” stülpt Frickel-Synthies a la
Adebisi Shank oder Battles einen wie angegossen sitzenden, hibbeligen Indie-Schlagzeugbeat über. Auch Songs wie “Mkl Jcksn” oder “Fin De Siecle” atmen im Bandkontext relativ frischen und zackigen Groove. Ebenfalls neu: der verstärkte Fokus auf Elektronik. Obwohl die Gitarren von Nicolas Przeor und Clement Delporte seit jeher in ihrer flirrenden, höhenlastigen Qualität mehr mit Synthesizern als analogen Instrumenten gemein hatten, heben Mutiny On The Bounty den digitalen Aspekt mit “Digital Tropics” auf eine neue Ebene. An allen Ecken und Enden klimpert, fiept, pulsiert und trillert es – und erstaunlicherweise nimmt man der Band ausgehend vom Vorgänger genau diese elektronische Fokusverschiebung als logische Evolutionsstufe ab. Naturgemäß nehmen die Songstrukturen auf “Digital Tropics” nicht an Komplexität ab, lassen aber ein Stück weit den alten Wumms von Songs wie “North Korea”, “Modern Day Robbery” oder “Call Me Cheesus” vermissen und ersetzen diesen dafür durch filigrane Detailverliebtheit. Fragmente der alten Wucht schimmern auf Albumlänge hier und da durch, besonders offensichtlich im fluffigen “Countach”, das mit seinem Bratz-Bass und dem Stakkato-Gitarrenoutro überzeugt. Obwohl Reboots und musikalische Umorientierungen weitaus katastrophaler ausfallen können: Die Bedeutung, die der Gesang bisher für Mutiny On The Bounty eingenommen hatte, wird erst nach dem ersten Hördurchlauf offensichtlich. Hätte man Schmitz wieder ans Mikrofon gelassen, vermutlich wäre am Ende eine noch abwechslungsreichere Platte herausgekommen. Aber auch so bleibt “Digital Tropics” eine eindrucksvolle und in kräftigen Farben bemalte Visitenkarte für die elektronischere Seite der Luxemburger.
weitere Platten
Trials
VÖ: 27.04.2012
Danger Mouth
VÖ: 05.06.2009