My Morning Jacket
My Morning Jacket
Text: Markus Hockenbrink
Erst im vergangenen Jahr veröffentlichte das Quintett aus Kentucky mit “The Waterfall II” den überraschenden Nachfolger zu ihrem 2015er Album, übrig geblieben von den damaligen Sessions. Als kleines Licht in dunklen Zeiten wollte Sänger Jim James die Zugabe verstanden wissen, eine Mission, die auf dem neuen nach der Band benannten Album erst recht im Vordergrund steht. My Morning Jacket beschäftigt sich recht grundlegend mit der Frage, wie sich eine Rockband, die normalerweise am liebsten über “One Big Holiday” singen würde, in Zeiten gesellschaftlicher Krisen positionieren soll. Klassische Protestsongs mit tagesaktueller Thematik kommen schon aufgrund des kurzen Haltbarkeitsdatums nicht infrage, zumal die Band immer Wert auf jenen musikalischen Traditionalismus gelegt hat, der sich mindestens bis Lynyrd Skynyrd zurückverfolgen lässt. Die Antwort finden James & Co in einer Art pazifistischem Frontalangriff. Nachdem im Opener “Regularly Scheduled Programming” das Problem ausgemacht worden ist – Spoiler: es hat mit Internetsucht und Realitätsflucht zu tun – wird schon im nächsten Song die Lösung angeboten: “Love Love Love”. Für die nächsten drei Songs mit dem trippigen Highlight “In Color” scheint einem die Sonne ins Gesicht, und wenn man das Wort Liebe im Textblatt markieren würde, ginge es dort tatsächlich sehr bunt zu. Mit dem Ska-infizierten “Never In The Real World” und dem selbstironischen “Lucky To Be Alice”, in dem My Morning Jacket ihre sinkenden Plattenverkäufe besingen, folgen zwei der lustigsten Stücke, die es von der Band bisher gab. Der beste Song des Albums ist allerdings zwischen beiden eingebettet und von einer ganz anderen Stimmung. “The Devil’s In The Details”, neun Minuten lang und mit einer unheimlichen Mantra-artigen Gesangsmelodie ausgestattet, spielt in den Kulissen eines Einkaufszentrums, in dem arme Jugendliche für das Militär rekrutiert werden. Ein beklemmend schönes Stück, das man am liebsten dreimal hintereinander hören möchte, bevor es zurück geht ans Licht. Dort wartet unter anderem Complex mit seinem knackigen Steinzeit-Riff, mit dem die Band so nah an die Queens Of The Stone Age heranrückt wie nie zuvor. Für den letzten Song und seine verträumte Coda verwandelt sich James dann wieder in einen bärtigen Engel, der zu seinem Lieblingsthema zurückkehrt. “Everything you touch turns to love”, singt er, während die übrigen Instrumente gen Horizont entschweben. Sein Wort in unser Ohr.
weitere Platten
The Waterfall II
VÖ: 10.07.2020
The Waterfall
VÖ: 01.05.2015
Circuital
VÖ: 03.06.2011
Evil Urges
VÖ: 06.06.2008
Z
VÖ: 27.01.2006
It Still Moves
VÖ: 27.10.2003
At Dawn
VÖ: 30.11.1999
Okonokos
VÖ: 01.01.1900