Statt ihrer schmerzhaften Auflösung erklimmen die Jam-Rocker den bisherigen emotionalen Höhepunkt ihrer Diskografie. Unsicherheit, Hilflosigkeit und die erzwungene Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit begleiteten die Entstehung der sechsten Platte der Aschaffenburger. Lange stand die Frage im Raum, ob nach der Krebserkrankung von Schlagzeuger Steffen Weigand überhaupt noch die Kraft für weitere neue Instrumentalmusik zwischen sphärischem Stoner und Psych Rock vorhanden ist. “Atma”, im Sanskrit das Wort für die unveränderbare Essenz eines Wesens, gibt die Antwort: Sie ist da, allerdings nur in Verbindung mit einer grundlegenden Zäsur für das Quartett. Die begann mit den menschlichen Veränderungen innerhalb der Band und zeigt sich daraus folgend nun auch musikalisch: Fort vom Konzeptionellen und der künstlerischen Analyse von spirituellen und philosophischen Themen, hin zum brutal ehrlichen Kern ihrer derzeitigen Gefühlswelt. Konkret zeigt sich das beim ersten Blick auf die Tracklist an den fehlenden Interludes zwischen den Songs, mit denen My Sleeping Karma sonst gerne ihre Platten strukturieren. Stattdessen bahnt sich ein unaufhaltsamer Fluss von übermannenden Gefühlen und Gedanken seine
Wege. Die führen etwa in “Maya Shakti” durch trocken hallende Gitarrenmelodien und unruhig rollende Basslinien, bis der Song nach einer guten Minute urplötzlich wütend ausbricht, nur um kurz darauf wieder abzuebben. Eine ganze Geschichte von innerer Zerrissenheit, Verzweiflung und Kontrollverlust mit einem kurzen Aufschrei erzählt die Band hier, die die vergangenen drei schmerzlichen Jahre in ihr Handwerk steckt. Zwar bauen die Stücke nach wie vor auf Hypnose durch Wiederholung und ätherische Soundeffekte, auf psychedelische Space-Rock-Fantastereien und weitläufige Spannungsbögen, allerdings entpuppt sich die Grundstimmung – anders als noch beim Vorgänger “Moksha” von 2015 – als überraschend bewegt und drängend. Tieftraurige Gitarrenmelodien zünden dabei besonders heftig, wenn die Synthesizer weniger krautig wabern und dafür sanft Post-Rock Klangteppiche ausklopfen, um sie sacht unter den Füßen auszubreiten. So melancholisch und niedergeschlagen zeigten sich My Sleeping Karma bisher noch nie in ihren mittlerweile 16 gemeinsamen Jahren, der Resignation überlassen sie auf “Atma” dennoch nicht die Handlungshoheit. Vielmehr geht es um den Umgang mit Traumata und Schicksalsschlägen und der daraus folgenden Selbsthilfe: Es ist
schwer, aber es geht immer weiter.