Ein neues Nada-Surf-Album hat es zunächst nicht leicht. Es wird abgeklopft auf potenzielle Übersongs und dieses eine, kaum zu beschreibende Gefühl, das einen beim Hören von “Let Go” immer wieder überkommt. Doch brauchten auch frühere Platten immer schon einen Moment, um sich von leichter Unscheinbarkeit zu voller Größe aufzuschwingen – einer Größe, in deren Schoß man sich legen kann, hinter der man sich verstecken kann, die da ist, wenn man sie braucht. Nun auch bei “Lucky” die gleiche Prozedur: Man hatte mehr erwartet, es reißt weniger mit, den Songs wird unterstellt, kurzweilig zu sein und im Nada-Surf-Kosmos Einheitskost darzustellen. Die Zeit, die sie sich nahmen, um “Lucky” zu schreiben und aufzunehmen, scheint beinah unangemessen zu dem, was es schließlich zu hören gibt. Überhaupt: Der Titel lässt zunächst stutzen. “Lucky”, laut Schulenglisch und Wörterbuch natürlich vor allem erst einmal “glücklich”. Das traf bisher auf kein Album der drei New Yorker uneingeschränkt zu. Was dieses kleine, große Wort allerdings auch bedeutet, ist unheimlich passend: “Glück bringend” lächelt weiter unten aus dem Langenscheidt. Ob Absicht oder nur ein kleines Rädchen im Uhrwerk der Bedeutungsschwangerschaft der kleinen Dinge bei Nada Surf, es trifft den Nagel auf den Kopf. Nach ein paar Tagen Abstand und erneutem Abklopfen der Platte fühlt man sich zu Hause. Man freut sich, wieder da zu sein, schätzt, was man vermisst hat und bemerkt, was vorher vielleicht vergessen wurde. Allein diese Gitarren, die als einzige zugleich sanft, packend und umarmend sein können… “Lucky” strotzt vor typischen Songs des Trios um Matthew Caws, der es noch immer wie kein anderer versteht, mit seiner Stimme und simplen Worten ein Kaminfeuer im Bauch zu entzünden. Die Mittel und Wege dorthin sind einfach und klingen auch ein Stück zufriedener als bisher. Caws, der so viele Jahre damit verbrachte, sein immer wieder gebrochenes Herz mit seinen Songs zusammenzuflicken, hat dies, dank fester Beziehung und Nachwuchs, nun nicht mehr nötig. Dass seine Songs nicht belanglos wurden, sondern weiterhin diese strahlende Dringlichkeit besitzen, die an dieser Band so liebenswert (im Sinne von tiefer, inniger Liebe) ist, macht “Lucky” zu einem weiteren unverzichtbaren Ziegelstein in den Wänden der Herzkammern.
weitere Platten
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The Proximity Effect
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