The National sind eine Band, bei der es immer schon um Genauigkeit und Kleinlichkeit ging, besonders in den Texten des klugen Wortverdrehers Matt Berninger. Es ist also nur fair, auch genau und kleinlich zu sein, wenn man sich vorzustellen versucht, warum The National anders klingen als alle anderen Bands im Moment, obwohl sie gar nichts anders zu machen scheinen als alle anderen Bands im Moment. Sie benutzen die gleichen Instrumente, schreiben über die gleichen Themen, die jeden beschäftigen, der Ende 20/Anfang 30 ist und sich noch nicht ganz zurechtfindet, und selbst ihr weitgehender Verzicht auf klassische Rockrefrains grenzt sie längst nicht mehr ab von anderen Gruppen, die in ihren Selbstlimitierungen und Songaufbauten oft noch viel radikaler sind als The National. Diese Band ist nicht ungewöhnlich, aber trotzdem ist sie außergewöhnlich, und wenn es schon um die Suche nach Erklärungen geht auf ihrer fünften Platte “High Violet”, dann haben sie ja vielleicht auch noch eine dafür übrig. Die Brüder Bryce und Aaron Dessner sind größtenteils verantwortlich für die Lieder von The National, die sie noch etwas aufwendiger auskleiden als bisher, gleich im Opener “Terrible Love” mit einer seltsam rasselnden E-Gitarre und in “Afraid Of Everyone” mit kaum hörbaren Holzbläsern, die später als machthaberische Blechbläser wiedergeboren werden. Solchen Triumphen steht aber immer auch Drummer Bryan Devendorf im Weg, der sich tatsächlich als Schlagzeuger zu verstehen scheint, der immer im Weg stehen muss. Er begleitet einen Song niemals bloß, er treibt und stachelt ihn auch an, stoppt ihn ab und spielt viele kleine Trommelwirbel, die komischerweise niemals Staub aufwirbeln. Seine Bockigkeit hat etwas Höfliches, sein Dazwischenschlagen immer auch etwas Sanftes, und so passt er doch wieder zu den Songs von Dessner und Dessner, die man sich niemals in einem verschwitzten T-Shirt vorstellen könnte. Die Arbeit, die in einer kleinkarierten Platte wie “High Violet” steckt, hört man ihr in jeder Sekunde an. Die Anstrengung nicht. So hat es schon etwas Roboterhaftes, wie sich etwa “Blood Buzz Ohio” vorwärts bewegt, aber es hat ja auch etwas von einem traurigen Roboter, wie Berninger sich durch seine Texte schiebt. Er erzählt keine Geschichten auf “High Violet”, legt großen Wert darauf, niemals zu konkret zu werden, beobachtet aber doch sehr genau, was in ihm vorgeht. Man kann da eine Weltverdrossenheit heraushören, die der von Thom Yorke zu “OK Computer”-Zeiten ähnelt (so wie auch Devendorfs Schlagzeug oft an Phil Selways federleichten Shuffle erinnert) – sie äußert sich aber ganz anders, weil Berninger niemals zynisch wird und weniger an den anderen als an sich selbst verzweifelt. Vielleicht liegt auch das an der besonderen Bandaufstellung von The National. Vielleicht sind sie außergewöhnlich, weil hier eine glückliche Kombination gewöhnlicher Menschen zusammenkommt, die sich in ihrer Musik gegenseitig bedingen, unterwandern und aufeinander verlassen, einer führt zum anderen, einer hängt vom anderen ab, und Berninger singt am Ende des Albums drei Mal “I’ll explain everything to the geeks.” Dann los, bitte. Wir hören.
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