Amis oder Angelsachsen nennen so was “easy target”. Nickelback befinden sich spätestens seit ihrem Welthit in dieser Kategorie. Von den knapp 7.000 Leuten auf der VISIONS-Aftershow-Party des Bizarre 2001, die dem kanadischen Vierer nachts um drei frenetisch zugejubelt haben, wird sich wohl niemand gerne daran erinnern, dass eben dieses “How You Remind Me” auch im Set war. So schnell kann’s gehen. Und wenn dann noch die Optik des Sängers eine entscheidende Rolle spielt, eine Band nicht zu mögen… Solche (Vor)Urteile bedürfen keines Kommentars. Wenn jemandem allerdings diese Art des bombastischen, sehr hardrockigen und zum Teil natürlich auch vorhersehbaren Post-Grunge nicht liegt – okay. Zumal Nickelback auf diesem Album ihren Stil perfektioniert haben. Noch runder, noch eingängiger, noch glatter, keine Frage. Ein Album-Album, aus dem man nicht unbedingt einen Übersong heraus stellen kann. Überraschungen sind eher im Kleinen auszumachen, eine Double-Bass-Attacke hier (“Flat On The Floor”), eine vertrackte Rhythmik da (“Figured You Out”), ein Rausschmeißer im Hymnenstil (“See You At The Show”) – die vier Kanadier machen nicht viel anders, aber manches besser. Unterm Strich eben eine stinknormale Rockband, die ihren Stil gefunden hat und ihren Stiefel runter spielt – das aber mit extremem Selbstbewusstsein. Das hier ist Dicke-Hose-Rock: schon immer ein zweischneidiges Schwert gewesen.
9/12 Jörg Staude
Es soll Leute geben, die nennen Nickelback zeitlos, energetisch, bodenständig. Verdammt ehrliche Häute. Es muss sogar etliche davon geben – sonst wären Chad “Perm” Kroeger und seine drei Mit-Langweiler keine Rock-Millionäre, sondern schlügen nach wie vor Unterholz im kanadischen Wald. Auf dem Boden geblieben seien sie, heißt es – und auf dem Boden der (bedauerlichen) Tatsachen geblieben ist auch ihre antiquierte, banale Musik. Was, außer zwei, drei halbseidene “How You Remind Me”-Epigonen plus aufgebrezelter Dicke-Hose-Produktion (irgendwo muss der Schotter ja hin…) konnte man von einer neuen Nickelback-Platte groß erwarten? Eben. Man höre die erste Single “Someday”. “Do This Anymore” outet sich bis zum Refrain gar als regelrechte 1:1-Kopie – dann muss Kroeger die Dreistigkeit selbst aufgefallen sein, weshalb er krampfhaft am krachledernen Chorus-Nichts rumgenagelt hat, um die Spuren zu verwischen. Andernorts versucht man verzweifelt, den beinharten Rocker zu markieren. Und schließlich wären da noch diese, ähm, Texte. Von Lippenstift am Spiegel ist irgendwo die Rede. Davon, dass es nie zu spät ist, Baby. Doch es geht noch besser: “I like your pants around your feet/ And I like the dirt that’s on your knees/ And I like the way you still say please/ While you’re looking up at me”, knödelt die Macho-Dauerwelle bei “Figured You Out” zu dumpfbackigen Bumsbuden-Beats. Brusthaar weht im Wind. Cowboy-Boots erinnern sich an in sie gesteckte Röhrenjeans. Es riecht nach billigem Benzin und Männerschweiß. “See You At The Show”? Besser nicht.
2/12 Patrick Großmann
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