Die Karriere von Nina Nastasia verläuft ähnlich wie die von Kolleginnen wie Ani DiFranco oder Lisa Germano. Kritiker vergeben Höchstnoten, eine feste Stammkundschaft kauft die Platten, lernt die Texte auswendig und geht auf die Konzerte. Nur der große Sprung bleibt aus; die Sphären, die Kate Bush oder Tori Amos erreicht haben, bleiben unberührt. “In einer gerechten Welt wäre das anders”, wird dann gesagt, aber stimmt das auch? Wer Nastasias sechstes Album hört, wird zwei Dinge feststellen: Das Niveau dieser Songs und Arrangements ist hoch, aber einen leichten Zugang bietet die Musik nicht. Dafür brodelt zu viel unter der Oberfläche – und so ist es gewollt, nicht ohne Grund nimmt Nastasia ihre Alben seit Jahren mit Steve Albini auf. Der versteht sich auf die Erzeugung von Wucht, wobei er dafür keine E-Gitarren und RockSchlagzeuger benötigt. Es beeindruckt vor allem, wie Albini die tiefen Streichinstrumente durch diese Lieder schleichen lässt – Anspieltipps in dieser Hinsicht sind “Cry, Cry, Baby” und “You’re A Holy Man”. Eine Folge von Albinis selbstbewusster Arbeitsweise ist, dass die brillante Stimme von Nastasia hier nicht der einzige Star ist. Wie aus dem Nichts erstreckt sich in “This Familiar Way” ein Geigensolo, entzieht dem Stück seinen balladesken Boden und führt es in einen Tango-Noir – atemberaubend! Am Ende steht das Titelstück mit glockenklarer Folkmelodie, neoklassischen Bläsern und einem Text über einen einsamen Segler im Polareis. “Come closer”, lässt Nastasia ihre Figur schließlich flehen. Auf eigene Gefahr.
weitere Platten
Riderless Horse
VÖ: 22.07.2022
Dogs
VÖ: 01.07.2004