Das Trio aus Norwich versinkt für den Nachfolger noch tiefer in der Aussichtslosigkeit seiner semi-fiktiven Protagonisten. Steph, den Dealer und Fixer, kennen wir schon. Die Nächte drückt er sich auf Clubtoiletten (“Using the toilets like an office space”) und unübersichtlichen Hauspartys rum, immer auf der Suche nach Erlösung. Neu ist sein Zulieferer Big, der als bedrohliche Schattenfigur auftritt. Und David, es war zu befürchten, hat den Struggle nicht überlebt. Charaktere am Rande der Gesellschaft mit Erwartungen an die Welt, die selten eingelöst werden. Ein ähnliches Bild, in dem Fall von London, zeichnet auch Kae Tempest, die Parallele klingt sprachlich trotz der Genredifferenzen immer wieder an. “Ugly Reunion” fasst es gut zusammen: “This is the sound of a life lived underbound.” Der Post-Hardcore von Other Half klingt auf Anhieb chaotisch, ist in seinen Strukturen aber erstaunlich oft geradlinig. Erst Frontmann Cal Hudsons dissonanter Gesang, windschief wie eine rostige, in den Angeln hängende Tür, setzt dem geordneten Krach eine gefährliche Unberechenbarkeit entgegen. Der ungeschönte Blick ins Leben seiner Figuren ist mindestens unbehaglich, mitunter auch abstoßend und eklig. Er ist aber vor allem deshalb so gut und richtig, weil er auf Augenhöhe ist und nie wertet oder verurteilt: “Cause the people aren’t bad it’s just the systems that kept them.”
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Big Twenty
VÖ: 21.08.2020