Zu ihrer Ehrenrettung muss man nicht einmal betonen, dass etwa Pete Wentz von Fall Out Boy mit Decaydance ein Indie-Label betreibt, auf dem er nicht nur Panic! At The Disco, sondern auch die Emo-/Punk-Legende Lifetime verlegt – eine Band, die bei der Szenepolizei kaum Vorstrafen hat. Mit Glaubwürdigkeitsdebatten ist dieser Strömung nicht beizukommen, eher mit Begriffen wie Selbstbewusstsein, Hit-Fähigkeit und Ironie. Panic! At The Disco und ihre Förderer zeichnet aus, dass sie in ihren Ohrwürmern von ihren Ohrwürmern singen und ihre Rolle als moderne Jungstars ironisch mitschwingen lassen. Die Musik weiß um sich selbst und sagt es auch. Erzählen sie Geschichten, wird es dunkel und sarkastisch, etwa wenn sie hinter die Mauern eines Motels fast beiläufig sexuelle Gewalt schildern, während die Musik heiter nach vorne treibt. Ein Kontrast, der eine gute Tradition aus dem Melodycore weiterschreibt. Die Musik dazu unterscheidet sie deutlich von ihren Kollegen, mischen sie doch sonnigen Powerpop, hippen Diskopunk, kindliche Elektronik und warme, organische Arrangements so mitreißend und gekonnt zusammen, dass klar wird: Hier sind disziplinierte Handwerker am Start, die bewusst Karriere machen und es nicht verhehlen. Man mag die Art ihrer Unterhaltung ablehnen, ihre Qualität macht Hoffnung.
Oliver Uschmann – 9
Alles durch den Wolf. Pi-Pa-Pop-Punk, eklige Elektroeffekte, Selbstreflexion und allerhand Ballast in die Baumkrone gehängt: Fertig ist your new favorite band. In Amerika gehen die Kids schon steil, werden panisch in der Disko, wenn diese (gar nicht so) neue Entdeckung aus Las Vegas zum Jazztanz bittet. Die Hasser nennen das Mallpunk – Einkaufszentrumspunk, Kommerzpunk (siehe auch: Fallout Boy, Simple Plan). Die Promoter sagen lieber Postcore. Das ist aber Mumpitz. Postcore ist anspruchsvoll, ist szenetreu und eher so etwas wie Isis, Fugazi oder Engine Down. Panic! At The Disco sind Pop. Weil: populär, eingängig, sauber, schnuckelig, kanten- und oft belanglos. Zeilen wie “We’re just a wet dream for the webzines” wollen Luft aus den Segeln der Kritiker nehmen. Wollen auch zynisch oder vielleicht ironisch sein. Sind sie aber nicht. Die Webzines zerreißen sich das Maul über den harmlosen Haufen Hooklines und schöner Melodien. Mit MySpace sind sie groß geworden, erwachsen auf dem Major, und mit dem Instanthit”I Write Sins Not Tragedies” haben sie den UK geknackt. Soll es so sein. Das im Radio zu hören, tut nicht weh. Was weh tut, ist dieses ständige, kreischende Selbstbewusstsein (“Now I guess we’re back to us/ Oh, camera man/ Swing the focus”), das man zu leicht mit Selbstironie verwechseln könnte. Ein Furz im Wind, der hartnäckig stinkt und sich einfach nicht verziehen will.
Jan Schwarzkamp – 5
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