Ja, die Smiths. Und All, Dead Kennedys, die Arschlöcher aus Tirol, Nickelback und Angela Merkel als Ja, ja, deine Mutter. Sie alle stehen in Disharmonie und losem Zusammenhang vereint im Mittelpunkt des sechsten Albums von Pascow, einer sympathischen, straßenerprobten und mit interessanter Perspektive ausgestatteten Punk-Band aus der Gemeinde Gimbweiler, Landkreis Birkenfeld, idyllisch umrahmt vom Wildpark und der Bosener Mühle. Von ihrem Ausguck im rheinland-pfälzischen Irgendwo schweift ihr brillenumrahmter Blick über die sozial und kulturell verdörrte Prärie des Landes, von Gimbweiler bis Zwickau, vom eigenen Zimmer nach Tunesien. Und wohin sie auch schauen, überall nur dampfende Reste einer von Menschenhand geschaffenen Abrissparty.
Die Textfetzen, die Sänger und Gitarrist Alex Pascow bei seinem Streifzug durchs Hier und Jetzt an den Rändern von Existenz und Gesellschaft aufsammelt, verpatchworked er auf Diene der Party zu Briefen, die man lieber nicht in seinem Postkasten findet. Kurzer Einschub an dieser Stelle an alle, denen ob des verdenglischten Adjektivs im Satz zuvor dicke Backen gewachsen sind: immer mit der Ruhe. Denn wer sich auf Pascow einlässt, bekommt neben einem Sack voll tätowierwürdiger Sätze auch stets schlau in den Text verwobene Songzitate von “englischen Alt-Rockern” und anderen ewig währenden One-Day-Wondern, zum Beispiel Black Flag. Seine messerscharfen Verse serviert Alex Pascow dabei so, wie der 2. Wachoffizier Martin Semmelrogge einst seine Befehle vom Ausguck des “Boots”: beißend, laut, deutlich, dringlich und stets im keine Widerrede oder Fragen duldenden Imperativ. Dabei gelingt es Pascow eindrucksvoll, den auf Alben wie “Nächster Halt gefliester Boden” oder “Alles muss kaputt sein” recht dicht gepflanzten Metaphernwald deutlich zu lichten und dabei den Kern ihrer Aussagen freizulegen. Ob Themen wie die Einwanderungs- und Asylpolitik in Zeit des Erwachens, das geschäftliche Gebaren von Konzernen in “Castle Rock”, Neokonservatismus und Rechtspopulismus in Zwickau sehen und sterben oder “Lettre Noir” oder die existenziellen Fragen der Generation Plus-Minus-30 in “Smells Like Twen Spirit” – Pascow haben auf all diese Themen nicht nur die passende Antwort, sondern stellen auch ein paar unangenehme Fragen. Wie angenehm.
Auch musikalisch sind die vergangenen vier Jahre nicht spurlos an Pascow vorbeigezogen. Natürlich klackt im Vers noch immer der Bass und im Refrain steht noch immer die doppelt gemauerte Gitarrenwand, nur diesmal kann man auch als Kraftklub-Fan dazu tanzen. Beste Voraussetzungen also für eine Party, auf der die Arschlöcher endlich verschwunden, der Wein weiß und die Stimmung trotz (oder wegen) der vorgerückten Stunde prächtig ist. Vielleicht liegt letzteres aber auch nur daran, dass der DJ ständig diese Shoegaze-Hymnen auflegt. Ja, die Smiths. Ja, die Smiths. Ja, die Smiths.
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