Pearl Jam
Dark Matter
Schieben wir als erstes den Elefanten aus dem Raum: Pearl Jams Akte “Artwork” bekommt den nächsten Eintrag. Designer Alexander Gnezdilov mag ein begabter Pixeljongleur sein, Rock’n’Roll ist seine Arbeit jedoch nicht. Dabei hätte gerade diesem Album ein klassischer Look bestens gestanden, so wie es aus allen Poren dampft. Die Ohrenzeugen des exklusiven Album-Listenings Anfang des Jahres im Troubadour in Los Angeles hatten es bereits kundgetan, die erste Single “Dark Matter” unterstrich den Eindruck, dass da Großes auf die Welt zukommt.
Jetzt lösen Pearl Jam die Vorschusslorbeeren auf Albumlänge ein. Gleich das Auftakt-Triple treibt einem euphorisches Wasser in die Augen. “Scared Of Fear” kippt vom verhallten Synthie-Raum in scharfes Riffing, auf ein schmuck zergniedeltes Solo folgt Halftime-Drama und neuerliches Tempo. Noch ein gutes Stück dringlicher klingt “React, Respond”, ein neo-metallisches Grollen, gefolgt von “Wreckage”, das erstmals die Klangfarbe wechselt, ein Midtempo-Groover, wie ihn der Boss persönlich nicht schöner hinbekäme, mittig zwei grandiose Solos, dazu eine finale Coda zum Niederknien.
Sie würden immer so lange brauchen, hatte Produzent Andrew Watt der Band vorgeworfen, sie sollten mal etwas fixer in die Gänge kommen, es könnte dem kreativen Ergebnis guttun. Der Mann weiß, wovon er spricht, kaum ein Zufall, dass Pearl Jam nach “Gigaton” mit Josh Evans ausgerechnet dem angesagtesten Produzenten dieser Tage das Vertrauen geschenkt haben. Ohne eigene Instrumente, ohne Notebook voller Ideen, nackt wie der Rockgott sie schuf, ging es also ins Studio – eine Chance, die Eddie Vedder & Co. beim Schopfe packten.
Ausgesprochen wuchtig ist die Gitarrenarbeit geraten, ein Verdienst auch von Matt Cameron, der seit seligen Soundgarden-Tagen – die sich hier zudem stilistisch wiederfinden – nicht mehr so muskulös-antreibend getrommelt hat. Die Klasse dieses Albums nährt sich auch aus einem Wechselspiel, das nie verkopft wirkt. Auf die Härte von “Dark Matter” folgt mit “Won’t Tell” sehnsüchtiger Roadmovie-Rock, in “Upper Hand” schimmern The Who, Pink Floyd und Tom Petty durch, als Kontrapunkt dazu entpuppt sich das vielleicht wahnwitzigste Stück: “Running” ist eine gestreckte Gerade von einem Song, ein Konglomerat aus Oi! und Grunge und Socal-Punk – irre gut. Dass “Setting Sun” als Abschluss Richtung Pep-Talk balladiert, passt zum emotionalen Grundton der Platte, die fast genau 30 Jahre nach dem Tod von Kurt Cobain auch die Weggefährten von einst feiert. Und das Leben selbst: “Let us not fade”.
Das steckt drin: Paw, Soundgarden, Bruce Springsteen
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