Philip Selway
Familial
Text: Markus Hockenbrink
Soloalben von Schlagzeugern provozieren traditionell dieselben Reaktionen wie Patentanmeldungen durch ostfriesische Blondinen, aber Philip Selway besiegt das Vorurteil. 30 Sekunden nach den ersten Tönen seines Solodebüts weicht das überhebliche Lächeln einem ungläubigen Staunen, das wiederum wenig später den Platz für demütige Hingabe räumen muss. “Familial”, das ist der Griff in eine Schmuckschatulle zur Dämmerungsstunde, die Finger gleiten über dunkles Holz, finden eine Samtauskleidung und eine Perlenschnur. Wenn man dem Album mit Kopfhörern zuleibe tritt, hört man dazu noch eine singende Säge, einen gerollten Würfel und Lisa Germano. Understatement ist alles auf dieser Platte, und Selway tritt hinter der hübschen Stimme und dem makellosen Songwriting so weit zurück, dass man fast glauben könnte, die einzelnen Stücke seien vom Himmel gefallen. Ein nächtlicher, unergründlicher Sternenhimmel höchstwahrscheinlich, vielleicht auch schon der, in den Radioheads “Pyramid Song” einst aufgefahren ist. An verschiedenen Stellen blitzt tatsächlich das thematische Strickmuster der Hauptband durch, denn auch “Familial” kennt sich gut aus mit gesellschaftlicher Entfremdung und persönlichem Ennui. Die geschmackvoll arrangierten und überraschend warmwandigen Stücke, aus denen das Album praktisch ausschließlich besteht, tauchen die sich abzeichnende Midlife Crisis dabei allerdings in ein versöhnlicheres Licht. Das Leben vom Ohrensessel aus.