Phillip Boa And The Voodooclub
Decadence & Isolation
Text: Philipp Welsing
Eine Menge Wave, ein bisschen Rock, ein klarer, irgendwann einmal der Elektronik entliehener Dance-Drive. Daraus ist ein Phillip-Boa-Album gemacht. War es schon immer. Das Erstaunliche an “Decadence & Isolation” vorweg: Deutschlands wichtigste Figur der Indie-Musik hat sich durchgeschüttelt, befreit und klingt nach zwei allenfalls okayen Alben nicht nur versöhnlicher als zuvor, sondern wie nach einer absolvierten Songwriting-Kur. Die Personalunion Lund/Boa im Refrain strahlt, der Denker hat wieder Spaß am Singen, und man merkt deutlich: Es ist die erste richtige Aufnahme mit seinem Live-Voodooclub. Reduktion statt überquellenden Pomps, räudige Overdrive-Basslines (zumeist tragendes Gerüst und besonders schmutzig bei “The Songs Of Life”). Im Ganzen: rocken. “I wanna care for my people”, singt Boa, tut das am Ende aber nur mit “And When The Magic Fades”. Bezeichnend, dass gerade das traditionellste Boa-Stück auf “Decadence & Isolation” – der Heimkehr zum langjährigen Label Motor – diesen Titel trägt und er darin klarstellt, es sei Zeit, sich weiterzuentwickeln. Gordon Raphael war bis zum gerade entstehenden Album Hausproduzent der Strokes, vier Boa-Stücke hatten es ihm genug angetan, sie in Berlin selbst zu mixen. Darunter: “Burn All The Flags”. Ein funktionabler Disco-Feger mit großartigem Chorus, feiner Leitmelodie und Pfeffer im Hintern; von Raphael satt, aber reduziert und mit rauem Perfektionismus in Szene gesetzt. Das Gegenstück: der Titeltrack. Von Tomte-Producer Swen Meyer mit wahrscheinlich doppelt so vielen Spuren bedacht, breit angelegt und mit herrlichen New Order-“Crystal”-Gitarren. Auch das zieht. “2 White Moths & A Black Cat” gerät zu verspielt, gewöhnungsbedürftig, ein Quäntchen zu euphorisch für Boa. Auch Lunds gesäuseltes “Aiaiaiaaa” in “The Songs Of Life 1 2 3 4” versinkt im Kitsch. Aber auch der gehört ein bisschen dazu bei Boa, der immer noch die Welt verändern will – “maybe more than ever”, wie er in “21 Years Of Insomnia” singt. Letzteres ist ganz nah dran am aktuell pulsierenden Brit-Rock. So nah, dass Boa sich anno 2005 mitten zwischen Art Brut, Franz Ferdinand und Maximo Park wiederfindet. Wie, so modern? Und jetzt ihr!
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