Wie schwer das ist, weiß Phoebe Bridgers selbst am besten. “What if I told you I feel like I know you?/But we never met, it’s for the best”, singt sie im Titelsong von “Punisher” ihr Idol Elliott Smith mit traumhaft hoher Stimme an, während sich Synthesizer und Streicher höflich zurückhalten. Nur seinetwegen ist sie ins Los-Angeles-In-Viertel Echo Park gezogen, wo das Wandgemälde vom “Figure 8”-Cover nur einen Spaziergang entfernt ist, erzählt sie im Song, genau wie sein altes Wohnhaus, das sie immer noch stalkt, und die Bars des Viertels, in denen sie sich Anekdoten von ihm am selben Tresen erzählen lässt. “Punisher” sind nervige Überfans, die ihren Stars zu nah auf den Leib rücken – und Bridgers kennt dieses Verhältnis von beiden Seiten. Ihre eigenen Songs spickt sie mit voyeuristischen Details, die sich wie echte Einblicke anfühlen, bis man sich dafür schämt, vor dem Fenster herumzulungern. Um das Haus ihrer Kindheit geht es etwa im sanft rhythmischen “Garden Song”, dessen Skinhead-Nachbarn sie schon lange im Garten vergraben will und in dem ein Feuer nach ihrem Auszug alles zerstörte bis auf die Markierungen ihres Wachstums am Türrahmen. Im folkrockigen “I See You”, das sie für die Singleauskopplung aus aktuellem Anlass von “ICU” umbenannt hat, erzählt sie ihre Beziehung mit ihrem Schlagzeuger nach, der das Stück trotz allem mit ihr zusammen schrieb: “I hate your mom/ I hate it when she opens her mouth/ It’s amazing to me how much you can say when you don’t know what you’re talking about/ But I feel something when I see you now/ I feel something when I see you”. Dazu spielt Jenny Lee Linberg von Warpaint Bass. Bridgers hat die allercoolsten Freunde, weil sie das allercoolste Leben hat, in dem sie mit Kindheitshelden wie Conor Oberst und Matt Berninger auf Bühnen steht und Referenzen von Country über Emo bis New Wave so tief in ihre Musik einfließen lässt, das man sie nur noch geisterhaft spürt. Der feine bis ultra-trockene Humor, den Bridgers in den Sozialen Medien und in Interviews zelebriert, fügt sich hier wie schon auf “Stranger In The Alps” vor fast drei Jahren in umso liebevollere Arrangements, die zwischen Mellotron, Klarinette und Querflöte alle Sünden vergeben. Am muntersten klingt “Punisher” ausgerechnet in “Kyoto”, in dem Bridgers mit genau diesem Leben hadert, während sie vom Münztelefon aus zuhause anruft: “I don’t forgive you/ But please don’t hold me to it/ Born under scorpio skies/ I wanted to see the world/ Through your eyes until it happened/ Then I changed my mind”. Am feierlichsten wird es ganz zum Schluss von “I Know The End”, wenn alle Freunde von Julien Baker bis Nick Zinner zusammen groß aufspielen: “The end is here”. Wie passend, dass “Punisher” in einer Zeit erscheint, in der Bridgers das Video zu “Kyoto” nur im Skelett-Kostüm vorm Greenscreen drehen konnte und ihre “World Tour” für vier Abende in Küche, Bad und zweimal Bett angekündigt hat. Wer diese Shows besucht, bleibt in Wahrheit ganz bei sich selbst.