Zwei Jahrzehnte lang hatte sich Pineapple Thiefs Prog-Pop totgelaufen. In der aktuellen Besetzung nimmt er wieder Fahrt auf. Schuld daran ist offensichtlich Gavin Harrison, der Ex-Drummer von Steven Wilsons Porcupine Tree und einer der drei Schlagzeuger von King Crimson. Das bislang letzte Album “Your Wilderness” hatte er noch als Gast bestritten. Alleine in dieser Rolle brachte er Soord bereits auf neue Ideen. Inzwischen sind alle Bedenken bezüglich der Besetzung des ehemaligen Porcupine-Tree-Schlagzeugers aus dem Weg geräumt und man konzentrierte sich sechs Monate lange darauf, ein Album zu machen, auf dem Harrison als vollwertiges Bandmitglied agiert. Tatsächlich ist am Ende das vielleicht bestmögliche Pineapple-Thief-Album entstanden. Es springt den Hörer nicht an, das ist einfach nicht Soords Art. Sein Songwriting ist und bleibt pop-orientiert, verpflichtet sich im Zweifelsfall der gefälligen Melodie. Harrisons Ansatz als Schlagzeuger, die konsequente rythmical illusion, erzeugt an entscheidenden Punkten die nötigen Brüche. Man kann hören, wie Bassist John Sykes lernt. mit der Bassdrum zu sprechen. Zudem hat sich Gitarrist Steve Kitch mutmaßlich bislang auf keinem Album so austoben dürfen wie auf “Dissolution”. Bruce Soords Songwriting konnte nichts Besseres passieren, als von Harrison herausgefordert zu werden. Der Band beim Zusammenwachsen zuzuhören, ist aufregend und vielleicht irgendwann Trost für alle, die nach wie vor Porcupine Tree hinterhertrauern.
8/12 Carsten Sandkämper
Pompöser Plastik-Pop-Prog für Internetkritiker mit Vorliebe für 6/8-Takte und virtuose Nichtigkeiten. Es ist ja nicht so, als sei The Pineapple Thief je eine spannende Band gewesen, aber es freut dann doch, wenn auf Bruce Soord und sein Virtuosen-Kabinett Verlass ist, weil man weiß: Da hat sich wieder einer ganz viel Mühe gegeben, um 43 Minuten Langeweile möglichst pittoresk und bombastisch auszukleiden. Natürlich immer mit dem audiophilen Nerd im Hinterkopf, der seinen Prog-Pop am liebsten antiseptisch und knisterfrei konsumiert, weil jegliches bisschen Dreck, Wärme oder Seele eine nicht berechenbare Irritation darstellen könnte. Außerdem haben die goldbeschichteten Audiokabel ein Vermögen gekostet! Aber auf Soord kann man zählen: Er fordert mit seinen Stücken nicht zu viel, wenngleich er diesmal seine Melodien auch mal einem 6/8-Takt von King-Crimson-Schlagzeuger Gavin Harrison anpassen muss. Potzblitz! Damit nicht gleich Überforderung entsteht, hat er die Blu-ray-Surround-Sound-tauglichen Songs an allen erdenklichen Stellen mit blassen Akustikgitarren zugemüllt und seine lyrische Kritik am Ungemach des Internets verpackt Soord in extrasoftes Gesäusel. In “White Mist” schwingt er sich dann in Pink-Floydsche Höhen auf – um in elf Minuten die ekligen 80s-Schattenseiten der Prog-Ikonen nachzuempfinden, ohne dabei natürlich jemals die Handbremse zu lösen. Es soll ja kein Trommelfell zu Schaden kommen in dieser albumgewordenen Wattebäuschchenschlacht.
4/12 Jan Schwarzkamp
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