PJ Harvey
I Inside The Old Year Dying
Stilistisch fällt im Opener zuerst Harveys neue Art zu singen auf. Teils fast opernhaft, zumindest aber sehr sorgsam um jeden Ton bedacht und nicht wie zuvor, die Stimme als Kraftwerkzeug zum Ausspeien einer Botschaft verwendend, singt sie verheißungsvolle Zeilen wie “All souls under Orlam’s reign made passage for the born again”. Damit bezieht sich die Singer/Songwriterin auf ihren im vergangenen Jahr erschienenen, im Dorset-Dialekt verfassten Gedichtband, dessen Figuren und Gedankenspiele in den Songs von “I Inside The Old Year Dying” präsent sind. Harvey verirrt sich im Folgenden in einem schimmernden Spiegelkabinett der Selbstreflektion und Abstraktion. Dabei stolpert sie gemeinsam mit dem Hörenden über erstaunliche und neue Facetten ihres eigenen, musikalischen Fingerabdrucks.
“The Nether-edge” spielt auf verführerische Weise mit dialektalen Sprachbildern, dabei klingt Harvey mal düster wie Chelsea Wolfe auf ihrer Goth-Folk-Platte “Birth Of Violence”, dann wieder folkloristisch wie Frank Turner in “English Curse”. “I Inside The Old I Dying” (nicht zu verwechseln mit dem Titelsong) leiht John Parish, neben Produzent Flood langjähriger Kreativpartner von Harvey, seine Stimme, und je tiefer man als Hörer:in eintaucht, umso mehr bekommt man das Gefühl, gerade erst am Anfang all dieser entdeckenswerten musikalischen Spiegelbilder zu stehen.
Das steckt drin: Julie Fowlis, Marissa Nadler, Chelsea Wolfe
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