Kein Vertrieb, kein Airplay, kein großer Medienhype: Zumindest in Europa haben sich Poison The Well bislang vor allem durch Mundpropaganda einen Namen gemacht und konnten im Frühjahr bereits mittelgroße Clubs ausverkaufen. Mit dem Majordebüt “You Come Before You” dürfte die Band noch einmal einen gewaltigen Sprung nach vorn machen, denn abgesehen davon, dass dieses Album nun eben nicht nur in einer Handvoll Szeneläden erhältlich sein wird, haben sich Poison The Well auch musikalisch enorm weiterentwickelt. Sicher, einige alte Fans werden die aggressive Unmittelbarkeit der frühen Tage vermissen, vom gefälligen Radiorock ist das Florida-Quintett aber auch auf seinem Drittwerk noch weit entfernt. Zwar weisen viele Songs äußerst melodische, teilweise sogar sphärische Passagen auf, in Sachen Heavyness hat sich die Band allerdings fast noch gesteigert – was wohl nicht zuletzt der äußerst fetten Produktion des schwedischen Gespanns Pelle Henricsson und Eskil Lovstrom (Refused, Fireside etc.) zu verdanken ist. Jeff Moreira brüllt zwar nicht mehr ganz so markerschütternd, hat dafür aber offenbar beim Gesangsunterricht gut aufgepasst und traut sich jetzt verstärkt an Melodien heran, was sich vor allem bei Songs wie “Meeting Again For The First Time” oder “The Realist” positiv niederschlägt. Doch auch die Mosh-Fraktion kommt auf “You Come Before You” nicht zu kurz: “Crystal Lake” etwa brettert einem mit einer Energie entgegen, die an Pantera zu “Vulgar Display Of Power”-Zeiten denken lässt, und wenn Melodie auf Härte trifft, wie bei “For A Bandaged Iris”, fühlt man sich sogar an Slipknot erinnert. Wie gesagt: Anhänger des frühen Schaffens dieser Band werden das Album vermutlich als äußerst gewöhnungsbedürftig empfinden, Fakt ist allerdings, dass Poison The Well mit “You Come Before You” ihr bislang facettenreichstes Album vorlegen, das sich erst nach und nach erschließt, dann aber um so gewaltiger zündet.