Das Hohelied vom Altern, vom Vergehen der Zeit und dem Kampf um Relevanz ist oft wie das Pfeifen im Wald. Alles halb so wild, wird da draußen getönt, zuhause dann aber ins Gläschen Galama geweint. „We don’t have to get fat, we don’t have to get old“, singt The Pretenders-Frontfrau Chrissie Hynde in “Let The Sun Come In” und in ihrem unvergleichlichen Timbre schwingt bei allem Optimismus auch trotzige Wehmut mit. Es bleibt dabei: Altern ist nichts für Feiglinge.
Dennoch ist der Albumtitel “Relentless” bei Hynde Programm, steht sie doch auch nach bald einem halben Jahrhundert im Musikgeschäft für eben diese ausgesprochen anziehende Unnachgiebigkeit jenseits der Zeit. Man musste nur mal ins vor Stolz glühende Gesicht eines Dave Grohl schauen, als er beim Glastonbury-Festival 2023 einen Song lang, Tattooed Love Boys vom 1978er Pretenders-Debüt, am Schlagzeug hinter Hynde – und Gastgitarrist Johnny Marr – Platz nehmen durfte.
Schon als notorische Nachzüglerin am Morgen nach dem ersten Punk-Beben hatte Hynde Ende der 70er einen Sound-Mix in petto, der sie vom Rest abhob: zu viel Punk für Bluesrock, zu traditionell für New Wave und doch von allem etwas. Genau das macht auch ihr neues Album aus. Gleich mit “Losing My Sense Of Taste” steht man knietief im Pretenders-Hybriden, Hyndes Stimme voll zeitlos düsterem Charme, James Walbournes Gitarre flirrt geheimnisvoll, fast ein bisschen grungy.
“A Love” folgt im Anschluss als Britrock der Marke Manchester, “Domestic Silence” hat den Blues, “The Copa” ist eine dieser typischen Pretenders-Balladen im Spannungsfeld aus Melancholie und Herzschmerz. “Vainglorious” zieht zum Ende hin nochmal das Tempo an, bevor “I Think About You Daily”, mit Jonny Greenwoods ergreifendem Streicher-Arrangement, einen epischen Schlusspunkt setzt.
Der stilistische Mix ist klassisch Pretenders, diesmal mit Kris Sonne am Schlagzeug, der Martin Chambers ersetzt. Wollte man etwas leise bemängeln, dann den Umstand, dass “Relentless” da und dort ein bisschen mehr Rotz hätte vertragen können, den Drive einstiger Großtaten wie “Precious” oder “The Phone Call” als Gegenpol zum getragenen Unterton. Nichtsdestotrotz ist es das durchweg gelungene Album einer Künstlerin, die niemanden mehr etwas beweisen muss – und genau das doch seit Jahr und Tag auf unnachahmliche Weise tut. Relentless eben.
Das steckt drin: PJ Harvey, Tom Petty, Patti Smith
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