Pristine (NO)
Road Back To Ruin
Text: Andreas Schiffmann
Die Norweger wollten nie so recht ins Retrorock-Milieu passen, und obwohl “Road Back To Ruin” mit dem Proto-Metal von “Sinnerman” eingeleitet wird, der als Variation auf Deep Purples “Highway Star” durchgeht, ist die Platte insgesamt viel breiter gefächert. Im halb schleppenden, halb treibenden Titelstück protzt Frontfrau Heidi Solheim mit der Hingabe einer Gospelsängerin, wohingegen sie während der Streicher-Elegie “Cause & Effect” eine überzeugende Soulsängerin abgibt. “Bluebird” nähert sich hingegen härterem Funk an, “Landslide” schmutzigem Country. Das ruhige “Aurora Skies” fungiert letztlich nur als Atempause zur Halbzeit, denn auch die restlichen Stücke zeichnen sich durch einen nervösen Vorwärtsdrang aus. Die Songs sind zudem mit Bedacht und Blick aufs LP-Format angeordnet, da sich die hypothetischen A- und B-Seiten in puncto Dynamik ähneln. “Pioneer” fällt mit der Tür ins Haus, “Blind Spot” setzt mit der syrischen Gastsängerin Racha Rizk atmosphärische Akzente und die zweite Ballade “Your Song”, die unter dem Einfluss von Neil Young entstand, bereitet lediglich auf den nur zweieinhalb Minuten dauernden Paukenschlag “Dead End” vor, mit dem Pristine ihr bisher reifstes Werk beenden. Was alle Stücke über ihren musikalischen Reiz hinaus klammert, ist die Dringlichkeit, mit der sich Solheim in ihren Texten gegen gesellschaftliche Verrohung und für mehr Selbstverantwortung ausspricht. Das liest sich zwar hippie-mäßig, ist aber weniger ein wirklichkeitsfernes Flowerpower-Statement als reflektiertes Zeitgeschehen, womit die Skandinavier tatsächlich mit beiden Beinen im Hier und Jetzt stehen.