Ich war schon ein bisschen enttäuscht anfangs. Denn: Es ist nicht mehr Hardcore. “We Love Life” ist in weiten Teilen eine ausgeglichene Platte. Die dramaturgischen Songaufbauten sind über Bord gegangen, neuerdings gibt es hier und da fast folkig-simple Arrangements. Songs wie “Minnie Timperley”, “Birds In Your Garden” oder auch die Single “Trees” tragen zwar deutlich die Handschrift der Band, stehen aber weder in poppiger “Common People”-Tradition, noch sind sie vom orchestralen Bombast des Vorgängers geprägt. Dafür gibt es Gründe: Jarvis Cocker will zurück ins echte Leben. “We Love Life” sei eine Selbstreinigung, sagt er, und gewissermaßen ein Rückzug von der großen Business-Bühne. Eine hippieske Feld-, Wald-, und Wiesenplatte ist es dennoch mitnichten, und trotz der vorherrschenden versöhnlichen Ausstrahlung auch kein wirklich positives Werk. In der Mitte des Albums stehen zwei mächtige Songbrocken, die den ruhigen Fluss brechen: Zum einen “Wickerman”, ein blaumütiges Epos, bei dem Cocker mal wieder alle Ausdrucksregister zieht, im erzählerischen Stil durch acht Minuten führt, sich steigert und untermalt von Donnergrollen und Frauenchören zum gesungenen Finale kommt. Im folgenden “I Love Life” kämpfen Melodie und Noise, was letztendlich in Krawall gipfelt; nach desparatem Geschrei ringt Cocker förmlich um Atem – er ist halt immer noch ein Showman, der, auch wenn er leiser werden will, die Seele auf den Stimmbändern trägt. Genial unterstützt wird er hier von Ex-Walker Brother Scott Walker, der mit “We Love Life” sein Produktionsdebüt ablegt: Kraftvoll, aber an keiner Stelle überladen, entspricht der Sound dem naturalistischen Ansatz des Albums nahezu perfekt. Die Kitschchöre im Hintergrund von “Roadkill”, das Vogelzwitschern bei “Birds In You Garden” – das alles sind Nuancen, die dazu beitragen, dass “We Love Life” doch wieder ein ziemlich tolles Album ist.
weitere Platten
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VÖ: 02.12.2002
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