Da wollen Radiohead keine Spielverderber sein, schließlich ist Remix-Freundlichkeit seit einigen Jahren ein bestimmendes Charaktermerkmal der Band, die in dieser Hinsicht gar nicht so verschlossen ist, wie man denkt. Schon kurz nach der CD-Veröffentlichung der letzten Platte starteten Radiohead eine Serie von sieben Twelve-Inch-Singles mit je zwei bis drei Interpretationen. Nun liegen sie gesammelt als Doppel-CD vor. Was der Fan davon hält, der für jede dieser Vinyl-Platten fast 15 Euro bezahlt hat? “Whatever”, wird er sagen, denn CD-Player besitzen diese Sammler und Kunst-DJs, wenn überhaupt, dann nur für den Geburtstag ihrer Kinder. Die 19 Tracks von “TKOL RMX 1234567” sind naturgemäß Kreationen aus der Premier League der Elektro-Szene: Jamie xx, SBTRKT, Four Tet, Caribou, Modeselektor – kaum ein großer Name fehlt. Die meisten haben sich einem der ersten fünf Tracks auf “The King Of Limbs” gewidmet, also einer dieser rhythmischen Schleifen, die sich besonders gut dekonstruieren lassen. Favorit: “Bloom” gibt es gleich fünf Mal, zum Beispiel als sphärischen Neo-Trance, hibbeligen Industrial-Techno und wabernd-stampfend-stotternden Dubstep. Es zeigt sich das Remix-Dilemma: Das klingt alles formidabel – aber auch ziemlich unterkühlt und klinisch. Seltsamerweise gelingt es nur wenigen Künstlern, beim neuen Zusammenbauen ein lebendiges Stück Musik zu erschaffen. Keine Collage, sondern ein eigenes Bild, gerne auch mal mit ein paar Wacklern. Wie das funktioniert, beweist der generell geniale Caribou mit seiner Version von “Little By Little”: Da gibt es nun eine Harfe, die Radiohead gar nicht hatten – und die sich nun sicherlich fragen, warum eigentlich nicht. Hier passiert, was bei perfekten Remixen immer passiert: Das Original verkleinert sich, weil plötzlich ein Element fehlt, von dem man vorher gar nicht wusste, dass es überhaupt fehlen könnte. Ähnlich stark: Jacques Greenes Elektro-Version von “Lotus Flower”, die bei aller Digitalität beinahe ein wenig Folk-Stimmung vermittelt, sowie der “Codex”-Remix des DJs und Produzenten Illum Sphere aus Manchester, der die ursprünglich atemberaubend gute Ballade in Schunkelstimmung versetzt. Es gibt also einiges zu entdecken auf diesem pickepackevollen Paket aus Bytes und Beats. Um nichts zu überhören, sollte man die Ohren nicht überfordern: Empfehlenswert ist die ursprüngliche Dosis der Twelve-Inch-Serie von zwei bis drei Remixen pro Woche.
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