Alan Wilders Erforschung von fast visualisierten Klangbildern kennt inzwischen kaum noch Grenzen.
Der Mann, der vor Urzeiten einmal mitverantwortlich für den unverwechselbaren Klang Dpeche Modescher Wavepop-Exkursionen war, ist inzwischen förmlich mutiert zu einem Soundfreak ohne Kompromisse, einer verschrobenen Studio-Assel mit dem Hang zum Düsteren und einem ganz eigenen Verständnis von zeitgemäßer Musik. So ein Album wie Liquid macht man nicht mal eben kurz am Wochenende, das kostet Zeit, Nerven und einen ungeheuren Grad an Intuition. Denn eine solche Musik, die nur noch gelegentlich eine gewisse Beziehung zum klassischen Songschema aufweist, kann man nicht komponieren, das muss man erfühlen. Liquid bietet – mehr noch als der Vorgänger Unsound Methods – orchestrale, sich in ihrer Klangfarbe und Vielschichtigkeit stetig verändernde Soundcollagen über einem endlos scheinenden Fundus von so luftig wie zäh vor sich hin rollenden trippy Grooves. Und als ob das nicht genug wäre, werden diesen hörbar gemachten Geisterbahnfahrten Leadstimmen zwischen Voodoo, Wehmut und Wahnsinn verpasst – ob nun apokalyptisch anmutende Spoken Word-Künstlerinnen wie Nicole Blackman, fast sakral wirkende Rezitationen, die tieftraurige Stimme von Diamanda Galas oder ein melancholisch wirkendes Gospel-Quartett, alles geht, alles passt. Nein, unharmonisch sind seine Expeditionen ins Reich der hörbar gemachten Generatorkriege nicht. Jedoch sind sie von einer dermaßen verstörenden, distanzierten, fast morbiden Harmonie, dass du bei seiner Musik unweigerlich die dunklen Seiten deiner Psyche kennen lernst.