Sein ursprünglicher Gedanke im Jahr 1986 sei gewesen, einen Gegenpol zur Arbeit mit Depeche Mode zu erschaffen, schreibt Wilder im Booklet. Dort mit zunehmendem Erfolg streng die gängigen Pop-Schemata einhalten zu müssen, habe ihn frustriert. Recoil war ein Ausweg. Schade, dass für die ersten, dementsprechend ellenlangen Recoil-Tracks von den Platten 1+2 und “Hydrology” auf “Selected” kein Platz war. Die frühesten Stücke stammen vom 1992er Album “Bloodline”, das damals in der Tradition besserer Electronic Body Music stand und mit “Edge To Life” (gesungen von Curve-Sängerin Toni Halliday) einen Klassiker enthielt. Rost angesetzt hat dagegen die damals beliebte Coverversion der Alex-Harvey-Hymne “Faith Healer”: Der Bombast und die Rockismen wirken heute daneben, da ist die wenigstens lustige Interpretation der Bollock Brothers besser.
Auf den drei folgenden Recoil-Alben fand Alan Wilder nach und nach einen eigenen Klang: eine Art organische elektronische Musik, die er immer wieder Genres anpasste, die ihn faszinierten. So wandelt “Allelujah” traumhaft sicher auf den Spuren der Cocteau Twins, adaptiert “Want” die dunkle Stimmung von Massive Attack und ist das eingängige “Jezebel”, gesungen von den Gospelstimmen des Golden Gate Jubilee Quartet, eine deutliche Hommage an Mobys Idee, mit dem Album “Play” traditionelle amerikanische Musik und Electro zu verbinden. Was Recoil daher vor allem auszeichnet, ist ein klanglich exzellenter Eklektizismus. In diesem Sinne Wilders Meisterstück ist “The Killing Ground” vom 2007er Werk “Subhuman”, eine Klangreise zwischen Blues und Tribal-Drums, Klassik und Soul.
Artverwandte
Future Sound Of London – “Lifeforms”
Nitzer Ebb – “Body Of Work 1984-1987”
Martin Gore – “Counterfeit²”