Das erste hat er schon geschafft, als er 2011 “Ugly Animals” veröffentlichte, das Debüt seiner ungefähr hundertsten Band nach The Locust, Some Girls, Swing Kids und so weiter, das sich mit knappestem Punkcore und der ultimativen Schlussmach-Zeile Yeah, you are real ugly direkt in unseren vernarbten Herzen verhakte (siehe visions 224). Anderthalb Jahre später ist “Ypll” nicht nur gut 70 Prozent länger als sein Vorgänger (nämlich fast 22 statt fast 13 Minuten), sondern für noch mehr Lebenslagen perfekt. Retox prügeln sich durch zwölf Songs zwischen 44 Sekunden und ganzen 3:22 Minuten Länge und bringen auf jedem einzelnen davon mehr Abarten unter als Onkel Noah auf seinem Orgiendampfer. Dicke Hosen wären da erstens zu schwer und zweitens viel zu sehr im Weg, wenn von vorne bis hinten die Fäuste fuchteln, stattdessen legen Retox eine knappe Spur aus präzisem, schnellen Punk und toben sich anschließend so richtig darauf aus. Die Gitarren gniedeln sich um Kopf und Kragen, es hagelt Riffs durchs Panzerglas, der neue Schlagzeuger Brian Evans schafft die Wechsel zwischen verstörenden Trommelwirbeln und Kickboxen auf alle Seiten der Gürtellinie mindestens so auf den Punkt wie sein Vorgänger Gabe Serbian, und Pearson hat seine Blase selbstverständlich mit genug Galle aufgefüllt, um sie auf alles draufzuspucken. In seinen ekligsten Momenten (“Soviet Reunion”) klingt das fast sumpfig oder allermindestens nach der Garage eines ungewaschenen Clowns, in den schnellsten (“Biological Process Of Politics”) gleichzeitig nach genialem Mathcore und Rappen in der Gummizelle. Dass ausgerechnet Nick Zinner von den Yeah Yeah Yeahs sich einen Spaß daraus macht, seine Gitarre in “Congratulations, You Are Good Enough” kurz reinzuhalten, passt genauso gut oder schlecht wie eine frisierte Strickmaschine im Intarsien-Modus gepasst hätte (also haargenau), macht vor allem aber deutlich, worum es bei Retox die ganze Zeit geht: Um Wut und Zerstörung, die aber nicht gemein gegen Andere hauen (oder höchstens ein bisschen), sondern vor allem Verspannungen im Nacken lösen. Deshalb kann man zu “Ypll” auch so hervorragend Luftgitarren zerbrechen, Fastensäfte gegen weiße Wände werfen oder sich selbst Songtitel wie “Dont Fall In Love With Yourself” auf die Lende tätowieren. Mit Fake-Blut aus dem Partyladen gegenüber. Und einer Scherbe vom Zahnputzglas, das beim Drei-Sekunden-Moshen kaputtgegangen ist. Fiktives Beispiel.
weitere Platten
Beneath California
VÖ: 06.02.2015
Ugly Animals
VÖ: 28.10.2011