Die Nacht hat ihre eigene Gesetze. Mit dem Glas in der linken und dem Synthie in der rechten Hand wagen sich Rialto auf die Straßen und trotzen der Finsternis. Während sich die meisten anderen Pop-Bands von der Insel nach wie vor auf die ehrenwerten Pilzköpfe berufen, atmet das zweite Album von Rialto den Geist ganz anderer Helden: Neben britischen Helden wie den Pet Shop Boys, New Order oder den Psychedelic Furs schimmert insbesondere der ein oder andere Filmstandard als Inspirationsquelle durch. Wenn bei Rialto das Licht aus und der Spot angeht, verschlägt es sie in “London Crawling” auch mal nachts um drei auf die schmuddeligen Straßen der Hauptstadt, bevor “Underneath The Distant Moon” gar der Welt den Abschied verkündet: “goodbye world, adios / this is where Im getting off”. Doch immer bevor die bemitleidenswerten Protagonisten Gefahr laufen, mit dem Gesicht nach unten in der Gosse zu landen, rappeln sie sich auf, bekunden, wie wohl sie sich doch als Verlierer fühlen und dass auf jede Nacht der nächste Morgen folgt. Knarzig-beschwingte, elektronisch angehauchte Songs wie “Shatterproof” oder das unverschämt aufmüpfige “Anything Could Happen” lassen das Glas im Nu wieder halbvoll statt halbleer erscheinen und können die Freude, die man beim anschließenden Leeren hat, ins Unermessliche steigern.
Armin Linder 9
Gott, was geht mir dieses (jetzt genau genommen bereits seit Ende der vermaledeiten Achtziger andauernde) Eighties-Revival auf die Nerven. Im Gegensatz zu Rialto haben Kollegen wie Zoot Woman oder Ladytron allerdings noch etwas mehr Originalität zu bieten, und da Bands wie A-ha, Human League oder Duran Duran längst wieder ihr Unwesen treiben, vermindert das Rialtos Daseinsberechtigung noch einmal erheblich. Das Brit-Quartett hat zwar ganz gute Songideen, die es auch sehr perfekt umsetzt, aber originell ist hier nun weder die Verballhornung des alten The Clash-Titels im Opener “London Crawling” noch irgendetwas an der Musik selbst. Seicht berieselnder Radiopop, dem alle vielleicht einmal im Rohgerüst vorhandenen Ecken und Kanten millimetergenau weggeschmirgelt worden sind. Für meinen Geschmack wird Rialto die für ihren Bereich sicherlich angebrachte Perfektion daher zum Verhängnis, denn so säuseln ihre elf Songs seelenlos an mir vorbei, ohne eine bleibende Erinnerung zu hinterlassen. Aber Fans der Pet Shop Boys mögen ihre Freude an “Night On Earth” haben, da gebe ich meinem Vorredner Recht.
4
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dto.
VÖ: 01.01.1998