Ride
Interplay
Text: Nicole Smith / Martin Iordanidis | Erschienen in: VISIONS Nr. 373
“Interplay” wäre ein nahezu perfektes Album gewesen, würden sich Ride nicht manchmal selbst feiern.
Auf drei Songs des neuen Albums trifft der Vorwurf der Selbstbeweihräucherung sicher zu, denn sie sind dürftig. Die erste Single des Albums, “Peace Sign”, ist trotz des stilvollen Textes über den Alpinisten Marc-André Leclerc musikalisch ein Flop. Bei “Last Frontier” denkt man eher an New Order als Ride, und die Hommage an Talk Talk und A-ha mit “Monaco” geht zu weit. Aber der Rest des Albums ist besser als reiner Shoegaze oder Indierock.
Andy Bell (Gesang und Gitarre) macht seine Lehrjahre mit und unter Liam Gallagher für sich fruchtbar und spätestens bei “Light In A Quiet Room” ist zu spüren, dass die Querelen zwischen Bell und Mark Gardener (Gesang und Gitarre) vergessen sind und jeder etwas Eigenes beitragen darf. Zusammen mit Laurence Colbert (Schlagzeug) und Bassist Steve Queralt zaubert das Duo hypnotische Grooves und poppige Gitarrenriffs.
Das Highlight des Albums ist “Portland Rocks”. Die Gitarren und der Rhytmus spiegeln die klassischen Ride-Themen von Eskapismus und Durchsetzungsvermögen wider. Das einzige was man sich noch gewünscht hätte, wäre eine Einlage von Lushs Miki Berenyi gewesen. Dann wäre “Interplay” ein fast perfektes Album gewesen. Nicole Smith
Interplay erzeugt schlimmste 80er-Alpträume: Gemeinsam-einsam-Eskapismus, erstickt unter Pop-Synthetik.
Es stimmt: Lange bevor U2 die Kommerz-8000er erklimmen und der Prog-Spirit von Tears For Fears noch am Glanz ihrer Charterfolge abperlt, stehen Ride für mutige und innovative Sounds. Den zappeligen Twang von “Nowhere” (1990) tragen Andy Bell und Mark Gardener schon zu Grabe, als Ride 1.0 Mitte der 90er vom Britpop weggespült werden. “Interplay”, so etwas wie das dritte Comeback-Album nach dem Neustart 2014, verirrt sich nun leider im Dunst einer außer Kontrolle geratenen Nebelmaschine.
Die monotonen Drumbeats von Schlagzeuger Laurence Colbert in “Peace Sign” und “Last Frontier” hätten Ride auch vom Computer erledigen lassen können. Und dass “Monaco” in den ersten Takten ganz schlimm nach einem bekannten NDW-Hit von 1982 klingt, hilft auch nicht. “Mehr Haze!”, heißt das inflationär bemühte Patentrezept auf “Interplay”, das zuverlässig alle Spuren organischer Lebensformen wie “Last Night I Went Somewhere To Dream” im Keim erstickt.
Als “Sunrise Chaser” und das gut groovende “Midnight Rider” endlich etwas Frischluft durch die Ritzen lassen, ist “Interplay” schon fast vorbei. Ich halte mich lieber an Bells Nebenprojekte wie Beady Eye oder Hurricane #1. Martin Iordanidis
Das steckt drin: Lush, My Bloody Valentine, Slowdive
weitere Platten
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