Soloalben von Drummern von Britpopbands, was soll man davon halten? Philip Selway von Radiohead hat zwei solide Singer/Songwriter-Platten aufgenommen, die dritte erscheint bald. Und der Ex-Drummer der Kaiser Chiefs war Hauptsongschreiber der Band, weshalb seine Soloplatte von 2018 nicht übler ist als die Songs der Gruppe. Nun findet Dave Rowntree von Blur Eintritt in dieses Schattengenre, wobei man nicht den Fehler machen darf, die Wirkkraft dieses Mannes zu unterschätzen. Statt wie Blur-Bassist Alex James alle Energie in eine Käse-Manufaktur zu stecken, stellte er sich für Labour zur Wahl, saß im Stadtrat von Norwich, arbeitete als Anwalt, komponierte Soundtracks, produzierte Animationsfilme. Dass nun mit “Radio Songs” ein erstes Soloalbum erscheint, hat damit zu tun, dass die Leere der pandemischen Lockdowns ihm ein bisschen freie Zeit zuführte. Er hat sie genutzt, um zusammen mit Produzent Leo Abrahams aus dem Umfeld von Brian Eno ein Werk mit besonderem Charme aufzunehmen. Ausgangspunkt war Rowntrees kindliche Liebe zum UKWRadio: zur Musik, die dort lief, aber auch zum Rauschen, das bei der Sendersuche zu hören war. In der digitalen Welt verschwindet dieser Sound, Rowntree will ihn nicht retten, wohl aber eine Musik entwickeln, die so vertraut klingt und in sich selbst ruht wie das Rauschen aus dem analogen Radio. Dass er mit diesem Ansatz den Soloalben von Damon Albarn nahekommt, schadet nicht.