Vielleicht stimmt ja doch, was immer wieder abfällig über Rufus Wainwright behauptet wird. Vielleicht ist er wirklich im falschen Körper gefangen. Ein genialer Opernkomponist oder zumindest der letztmögliche Retter des Musicals, der aus irgendeinem bis heute ungeklärten Grund dazu verdammt ist, Popsongs zu schreiben. Selbst das gutgemeinte Präfix “Kammer-” hilft da nicht mehr weiter, man müsste mindestens von Royal-Albert-Hall-Pop sprechen, um den turbulenten, pompösen Ausbruchsversuchen auf “Release The Stars” gerecht zu werden. Vor ein paar Monaten hat Wainwright in London, New York und Paris mit einem 45-Mann-Orchester Revuen zu Ehren von Judy Garland veranstaltet; sein sechstes Album nun knüpft direkt an diese Abende an. Wainwright takelt den Pop auf, ohne sich jemals davon lösen zu können, zu wollen oder zu müssen. Mal spielen nur sein Flügel und eine aufgeregte Geige, mal scheint die ganze mächtige Kapelle hinter ihm “Das Phantom der Oper” zu zitieren, immer ist es seine näselnde Stimme, die die wunderbar kitschigen, imposant komponierten Lieder zusammenhält. Es geht darin um Sex, natürlich, aber auch um die Liebe, von der Wainwright sagt, er habe sie endlich gefunden. “Release The Stars” wirkt wohl deshalb leichter und beflügelter als sein Vorgänger “Want Two”. Es bleibt aber auch hier der Eindruck, dass Wainwright nur einen Bruchteil dessen auf Tonband bannen konnte, was tatsächlich in ihm vorgeht. Es steht zu befürchten, dass die Musik im Kopf dieses Mannes eine Spur zu verwegen ist, um sie mit den Mitteln moderner Aufnahmetechnik festzuhalten.
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