Ein großer Fehler des Musikjournalisten besteht darin, Subversivität im Sinne von politischer und ästhetischer Avantgarde grundsätzlich erst mal gut zu finden. Von wegen: kollektiver Entstehungsprozess, Abkehr vom Rockstarprinzip, Kunst statt Können, das Leistungsprinzip und Ausgrenzungen der Gesellschaft widerspiegelt. Die Utopie sind wir, soll eine Hausfrau aus Remscheid gesagt haben, die an einem der Projekte teilnahm, aus denen “Der Mensch lässt nach” entstanden ist. Nichts gegen Hausfrauen aus Remscheid, aber die Politisierung alltäglicher Menschen zu einer linken Avantgarde ist wohl eher die Utopie bei der Sache. Die überaus forcierten Texte, die Deutschlehrer in zehn Jahren im Unterrichtscluster Sozialkritik in der Popmusik besprechen lassen werden, sind angeblich in Gesprächen mit all den Unzufriedenen aus dem Volk entstanden. Das Volk sagt also an der Kasse Dinge wie: Collage der Unlebenswertigkeiten/ Genug empört, nun wird gehandelt? In der Kleinstadt gibt es eher Dialoge wie: Jutta, wie isset? – Schlecht, aber wenn ich jammere, umarmt mich sowieso keiner. Und dann kauft man von Axel Springer statt von Suhrkamp. Als geistige Spielerei, Performance-Kunst und Textpool zur heiteren Analyse unter Gleichgesinnten bietet das schön gestaltete Album, das im Sinne der möglichst weiten Verbreitung nur auf Vinyl erscheinr, nahrhaften Knabberkram für Kunststudenten und Postmarxisten. Zu glauben, derlei Konzeptkunst führe zu einem fruchtbaren Aufstand, gehört zu den großen Selbsttäuschungen der Intellektuellen.
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