Shitney Beers
Amity Island
Text: Juliane Kehr | Erschienen in: VISIONS Nr. 382
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Verdient hätte Haug es, denn schon mit dem Vorgänger “This Is Pop!” lieferte der Künstler ein ohrwurmreiches und exzellentes Singer/Songwriter-Album ab. Auf dem Nachfolger ist neben den Songarrangements auch die Bandwerdung von Shitney Beers weiter vorangeschritten: Seit “Amity Island” mischt unter anderem Die Nerven-Schlagzeuger Kevin Kuhn an seinem Hauptinstrument mit.
Bis es allerdings so weit ist, gibt es erstmal ein “Intro”, beginnend mit einem befreienden Ausatmen, so wie man eine Yogastunde beginnen würde, gefolgt von einer gezupften Gitarre, die zusammen mit dem hallenden Gesang eine Menge Sufjan Stevens-Zauber versprüht: Dessen “Will Anybody Ever Love Me?” kommt einem da in den Sinn oder “Death With Dignity” – die Stimmung passt. Das folgende “Maya Hawke” ist der Hit der Platte mit seinen charmanten Celebrity-Crush-Zeilen und den verspielten Synthie- und Gitarreneinsprengseln, die den Gesang untermalen.
Gediegener plätschert im Anschluss “Lachrymal Glands” voran und legt den Fokus stärker auf die warme, wattige Klangfarbe von Haugs Stimme. Auch “Lucky Get Laid” entpuppt sich schnell als unwiderstehliche Indiehymne. Je weiter das Album voranschreitet, desto mehr dämmert einem, dass jeder der 13 Songs den Soundtrack einer der klugen, LGBTQIA+-Coming-Of-Age-Serien der vergangenen Jahre bereichern würde: “Heartstopper” oder “Sex Education” fallen einem spontan ein, denn was Shitney Beers hier vertonen, sind all die komplexen Gefühle zwischen Freundschaft, Liebe, sexueller und generell eigener Identität, an denen man im Laufe des Lebens wächst und scheitert.
Das kann, muss aber nicht immer zuckersüß klingen, auch wütende Rockgitarren wie in “N4N” haben deutlich ihre Berechtigung, klingen vor allem im Outro dann plötzlich mehr nach Brody Dalle im Distillers-Song “The Hunger” und vervollständigen den Sound auf “Amity Island”. Das folgende “Dawn Girl” sortiert sich auf halber Strecke zwischen beiden Extremen ein, beim mehrstimmigen Gesang kommen einem Haim in den Sinn.
“Simp” mag es kurz darauf nochmal rockiger und das abschließende “We Need A Bigger Boat” rahmt das Album mit erneut gezupften Gitarren und Zeilen wie “I would try to make you mine/ But I would only waste your time/ So I’m stuck on amity island with you”. Denn auch die leidige Friendzone ist eins dieser komplexen Themen, die mit den Songs von Shitney Beers wenigstens bezaubernd klingen.
Das steckt drin: Orla Gartland, Haim, Sufjan Stevens
weitere Platten
This Is Pop
VÖ: 09.12.2022
Welcome To Miami
VÖ: 23.07.2021