Ungewohnte Lyrik erfordert ungewohnte Klänge. Slime aus Hamburg haben aus der Not eine Tugend gemacht und ihr literarisches aber (bis auf weiteres) verloren gegangenes Bandgenie Stephan Mahler durch die Texte von Mühsam ersetzt, der 1934 von der SS im KZ Oranienburg zu Tode geprügelt wurde. Offensichtlich war Mühsam ein Mann mit vielen Facetten, wie sonst hätten Slime ein thematisch so abwechslungsreiches Songprogramm wie das von “Sich fügen heißt lügen” durchprügeln können? Titel wie “Bürgers Albtraum”, “Freiheit in Ketten” oder “Wir geben nicht nach” finden in Stücken wie dem “Trinklied” oder “Bauchweh” ihr leichtfüßiges Pendant. Auch musikalisch haben sich Slime gestreckt, ergänzen ihren Trademark-Sound aus nicht immer staubfreien, aber blitzschnellen 77er-Punk-Riffs mit Offbeat-Klängen und scheuen sich auch nicht, Dirk “Dicken” Jora über ein Piano-Intro singen zu lassen – obwohl der Mann noch immer eine Stimme hat, die eine komplette Tribüne in Schwingungen versetzen könnte. Unter der Regie von Gitarrist Christian Mevs melden sich Slime 18 Jahre nach ihrem letzten regulären Studioalbum “Schweineherbst” und einigen Testläufen in der Relegation zurück in der ersten Liga des deutschen Punkrock, und das mit Anfang 50. Selbst wenn diese neue Slime-Platte unter gesellschaftlich, politisch und ökonomisch völlig veränderten Vorzeichen auf das harte Pflaster der Straße knallt, eignet sie sich doch wieder hervorragend als Wurfgeschoss.
weitere Platten
Zwei
VÖ: 15.07.2022
Wem gehört die Angst
VÖ: 13.03.2020
Hier und Jetzt
VÖ: 29.09.2017
Schweineherbst
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Viva la Muerte
VÖ: 16.02.1992
Alle gegen Alle
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Yankees raus
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Slime
VÖ: 01.08.1981