Die Parallele liegt auf der Hand: Wenn die Smashing Pumpkins fast genau ein Vierteljahrhundert nach “Mellon Collie & The Infinite Sadness” zum zweiten Mal ein Doppelalbum veröffentlichen, muss man einen Vergleich ziehen. Was dabei als erstes auffällt: Bis auf die Stimme von Corgan ist nichts mehr so, wie es damals war. Thema Vielfalt etwa: wo der Klassiker mit einer enormen Breite und Weite im Arrangement überzeugte, klingt jetzt alles extrem kohärent, wie aus einem Guss. Thema Gitarrenwände: So massiv, wie einem damals etwa “Bullet With Butterfly Wings” in die Eingeweide fuhr, klingt “Cyr” nirgends; tatsächlich muss man bis zum neunten Song “Wyttch” warten, bis man überhaupt eine Gitarre als tragendes Song-Element vernimmt, und bis zum Ende folgt auch nur noch ein weiterer solcher Song. Man fragt sich also, was diese Band, die mit Corgan, James Iha und Jeff Schroeder aktuell über gleich drei ausgezeichnete Gitarristen verfügt, als musikalisches Kollektiv im traditionellen Sinn überhaupt geleistet hat. Der Eindruck verstärkt sich umso mehr in der Rhythmik: Mehr als die Hälfte der Songs verzichten auf das Schlagzeugspiel von Jimmy Chamberlin und ersetzen ihn durch Computerbeats; und wenn er mal trommelt, dann so reduziert, dass man ihn kaum wiedererkennt. Stattdessen: Keyboards noch und nöcher, hübsche Chöre, die größtenteils von Corgan selbst eingesungen scheinen, und von vorne bis hinten angenehmer Electropop, der rund durchläuft, aber nur gelegentlich fesselt. Ergibt das alles in irgendeiner Weise Sinn? In zweierlei Hinsicht schon: Zum einen, wenn man lernt, dass “Cyr” das altgriechische Wort für Meister und Gebieter ist und die Vermutung reift, dass das hier letztlich ein Corgan-Soloalbum mit punktuellen Beiträgen der anderen ist (zumal er für diese Platte auch die Produktion übernahm). Und zum anderen muss es natürlich möglich sein, dass sich eine legendäre Band nicht nur auf ihrem Signature-Sound ausruht, sondern sich auch nach über 30 Jahren noch mal neu erfinden möchte. Den meisten Stücken kann man im Kern auch nur wenig ankreiden: Corgan kann Hooks, er versteht zudem das Handwerk, Songs stimmig und trotzdem dramaturgisch interessant zu arrangieren. Was trotzdem als Eindruck bleibt, auch nach mehreren Durchläufen: Dieser elegisch-elektronische Pathos-Pop ist nicht das Einzige, was man von den Smashing Pumpkins hören möchte – weil sie 22 Jahre nach “Adore” und acht nach “Oceania” zu mehr in der Lage gewesen wären.
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