Im Zusammenhang mit Soccer Mommy ist in der internationalen Musikpresse häufig die Rede von einer Generation junger Indie-Musikerinnen, die früh von Avril Lavigne und ihresgleichen geprägt wurde. Das ist sicherlich nicht ganz falsch, aber “Color Theory” ist keine Platte, die man mit fremdgeschriebenem Teenie-Poprock verbindet. Am ehesten noch mit der Zeitgenossin Snail Mail. Oder man lässt sich von der 90er-Attitüde leiten zu den Lemonheads-Platten mit Juliana Hatfield. Oder zu Liz Phairs “Girly-Sound”-Demos. Oder zu manchen Solosachen aus dem Umfeld von Throwing Muses. Nur sangen die nicht so gut wie Sophie Allison, bei der es kein extrem laut braucht, um unheimlich nahe zu gehen, keine dringlichen Grunge-Gitarren zur Unmittelbarkeit. Unterteilt hat die 22-jährige Songwriterin ihre zweite Platte in die aufeinander folgenden Sektionen Blau, Gelb und Grau. Blau steht für Melancholie und Zurückgezogenheit, Gelb für psychische und körperliche Erkrankung, Grau für den Umgang mit Sterblichkeit – stetig Kratzendes an Allisons Nervenkostüm, lange bevor sie ihr properes Debüt “Clean” betourte und dabei an Songs wie “Yellow Is The Color Of Her Eyes” arbeitete. Der leicht psychedelische Siebenminüter im Zentrum von “Color Theory” handelt von ihrer Befürchtung, nicht mehr viel Zeit mit ihrer todkranken Mutter übrig zu haben. Etwas weiter vorn singt sie “I’m not so pretty when I am naked”, noch früher “I cling to the dark of my room/ And the days thin me out/ Or just burn me straight through”, und das ist harmlos im Vergleich zu dem, was ihr zum Abstürzen, Zerfallen und Aus-der-Haut-Fahren einfällt. Denkbar weit weg von den Beziehungsanalysen auf “Clean” außerdem, und Anlass für die Verspultes-Tape-Effekte in der trügerischen Wohlfühlatmosphäre, die auf “Color Theory” vorherrscht. Allisons Homerecording-Hintergrund merkt man “Royal Screw Up” oder “Up The Walls” an, generell dort, wo Akustikgitarren im Mittelpunkt stehen. Daneben gibt es verhallte Kindheitserinnerungen in “Night Swimming”, den Galgenhumor von “Lucy” oder das Unbehagen in “Stain”. Dass kein einziger dieser Stimmungswechsel das Album aus dem Takt bringt, liegt an Allisons wunderbarem Gesang und ihrem Talent, die intimsten Gedanken in Songs zu verwandeln, nach denen man sich weniger wie menschlicher Bandsalat fühlt als noch davor.
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