Son Ambulance
Someone Else's Déja Vu
Text: Jochen Schliemann
Freuen würde man sich, wenn auf dem Weg nach Hause endlich mal gute Straßenmusikanten an der U-Bahn stehen würden. Vielleicht würde man sogar einfach mal stehen bleiben bei den drei Typen mit der hoch geschnallten Akustikgitarre, dem Stehbass und dem Minischlagzeug. Und vielleicht hätte man dann kurz seine pure Freude an ihnen, die mit ihrem fluffigen Song “A Girl In New York City” alles ein bisschen besser machen. Für das zweite Lied würde der Sänger dann seine E-Gitarre anschließen und eine Ballade beginnen: “When we met, in some enchanted forest, when we met far beyond the city walls”, singt er – man würde dann wohl auch schon weitergehen. “Someone Else’s Déjà Vu”, Son, Ambulances drittes Album, fängt so an wie eben geschildert. Mit dem Unterschied, dass sich besagtes zweites Lied namens “Legend Of Lizeth” in ein kleines, träumerisches Popuniversum öffnet, das im Verlauf dieser Platte immer größer wird. Der Kopf hinter Son, Ambulance heißt Joseph Knapp. Schon 2001, als der Hype noch gar nicht in Omaha angekommen war, veröffentlichte er eine Split-EP mit Bright Eyes namens “Oh Holy Fools”. Das Son, Ambulance-Debütalbum “Euphemystic” folgte im selben Jahr und gehörte damals zu den leisen der Leisen auf Saddle Creek. Als Omaha dann 2004 weltweit Erfolg hatte, veröffentlichten Son, Ambulance das opulente “Key”. Und jetzt, da sich alles um Saddle Creek ein wenig beruhigt hat, ist Joseph Knapp immer noch da. Und zeigt sich seltsamer denn je. Diverse Songs auf “Someone Else’s Déjà Vu” unterliegen einer Art Traumlogik, öffnen sich fast unbemerkt in regelrechte Pink-Floyd-Frühphase-Sphären voller Melancholie. Nur manchmal geht das Lautmalerische in die Hose: “Wild Roses” trägt irgendwie schon im Titel zu dick auf und mutiert zu einem kitschigen Liebesding samt unfassbar dünnem Gitarrensolo und Bläsern. Das ist aber nicht schlimm angesichts atmosphärischer Hochleistungen wie “Requiem For A Planet” oder “Yesterday Morning”, das sich wunderbare sechs Minuten Zeit lässt, bis es seinen fragilen Höhepunkt erreicht. Hinzu kommt mit “Constellations” einer der besten Omaha-Folksongs seit Langem, und mit “Juliet’s Son” sogar so etwas wie eine Single, wäre da nicht diese schreckliche Rückkopplung gegen Ende. Und so wächst vor unseren Ohren fast jeder Song auf diesem Album zu einer kleinen Wundertüte des Wohlklangs, die in ihrer Gänze natürlich niemals von drei Typen auf der Straße gespielt werden könnte. Aber so klingt dieses Album zu Beginn eben, auch wenn man sich das jetzt gar nicht mehr vorstellen kann.
weitere Platten
Someone Else's Deja Vu
VÖ: 22.08.2008