“V” ist dabei der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung: Auf den Erwachsene-Musiker-Spielplätzen “I” (2014) und “II” (2015) experimentierte das Quartett aus Trondheim noch mehr zwischen Hardrock, Blues, Proto-Punk, Alternative und Metal, “III” (2016) brachte dem Sound dann vor allem Heaviness bei, während “IV” (2017) nach dem Ausstieg von Bassist Bent Sæther (Motorpsycho) die Tür weit in Richtung NWOBHM aufstieß und Spidergawd zur Improvisationsschnörkel-freien Hit-Maschine mutieren ließ.
Doch auch mit dem Wissen, dass “V” nur konsequent an Bekanntes anknüpft, staunt man wieder: Mit welch mitreißender Energie und großer Selbstverständlichkeit diese Stadion-Hardrock-Smasher zwischen Thin Lizzy, Judas Priest und Gluecifer aus Spidergawd herausbrechen! So lebendig und auf das Wesentliche eingedampft wie bei den Norwegern bekommt man diesen alten Sound nur selten zu hören.
Das gilt mehr denn je für “V”, das von einem unbändigen Drive geprägt ist – wenngleich er nicht sofort präsent ist: Der Opener “All And Everything” entwickelt sich erst langsam aus einem Solo-Exzess von Bariton-Saxofonist Rolf Martin Snustad, dann schieben Bass und Schlagzeug von hinten – und man fliegt mit Per Bortens hymnischem Holzfäller-Robert-Plant-Gesang in den Sonnenuntergang. Der Song kriegt einen spätestens dann, wenn im Refrain kurz Iron Maidens “Wasted Years”-Chorus angetäuscht wird und dann die Sologitarre verdächtig an Adrian Smith erinnert. Den Trick, knapp an bekannten Hits vorbeizuschrammen, um das entstehende Wohlgefühl erfolgreich an die eigenen Songs zu heften, wiederholen Spidergawd auch im folgenden “Ritual Supernatural”: Wer nicht schon nach den Thin-Lizzy-Gitarren im Intro und Bortens Phil-Lynott-Hommage in der Strophe vor Freude Biergläser an die Wand werfen will, findet sich im riesengroßen Refrain plötzlich kurz in Kiss‘ “Psycho Circus” wieder. Und im folgenden “Twentyfourseven” nutzt die Band jenen manischen Achtelbass-Rockbeat als Absprungspunkt zu einem mächtigen Heavy-Metal-Sturm, der auch schon The Soundtrack Of Our Lives‘ “Sister Surround” dienlich war, während Borten einen final zum Rock verführt: “Give me your body and soul!”
Danach öffnet sich “V” etwas: “Green Eyes” mischt Folk-Gitarrenpicking und Grunge-Dissonanzen unter, “Knights Of CGR” leitet mit Lava-zähem Black Sabbath-Riffing ein und rückt Snustads sonst oft wie eine zweite Gitarre gespieltes Saxofon ganz nach vorn, “Avatarl” fällt als Midtempo-Rocker dezent aus der Reihe. Der unbändige, treibende Groove aber eint alle Songs – und erfährt seine Krönung im Closer “Do I Need A Doctor”: In einen Schlagzeug-Wirbel platzen die gedoppelten Gitarren-Leads hinein wie auf dem punkigen Iron-Maiden-Debüt, der Song fegt über einen hinweg wie ein Hardrock-Hurrikan. Wer auch dann noch stillsitzen kann, lässt das mit der Rockmusik vielleicht besser ganz.