Story Of The Year sind so eine Band, die Angst macht. Ein Aggression/Melodie-Brocken auf Madonnas Label Maverick, vollendet wie ein Benz, standardisiert wie Tütensuppe. Reines Handwerk aus dem Baukasten, aus dem schon The Used, My Chemical Romance, Thrice etc. ihre Musikmobile zusammenschraubten. Keine Strophe, kein Refrain, kein Break, keine Abfolge in der Dramatik, die nicht vorhersehbar wären. Musik wie Spiderman 3, Stirb Langsam 4 oder Terminator 5, die Takt für Takt die Frage aufwirft: Warum schreit jemand, wenn er nicht leidet? Wie leer ist Verzweiflung, wenn sie so inszeniert wird? An dieser Platte haftet der Zynismus von Werbeagenturen, die genau wissen, “was die Menschen wollen”, und zu allem Elend will die Band das wahrscheinlich selbst. Tourt durch die Welt, schreit Nacht für Nacht, schmachtet, rast passgenau durch ihren ausgearbeiteten Parcours. Wo Funeral For A Friend sich charmant in Richtung Stadionrock verabschiedet haben oder Boy Sets Fire wenigstens in politischer Ereiferung herumbrüllen, spielen Story Of The Year Männermusik von Jungs, die nicht groß werden wollen, aber in Sound und Geste den dicken Schwengel rausholen, Testosteron als Empfindsamkeit verkleiden und bei maximaler Formkompetenz keinerlei künstlerische Sensibilität im Leib haben. Reiner Geschmacksverstärker, ohne Nahrung.
Oliver Uschmann – 4
Wäre das hier das Debüt von Story Of The Year, der Kollege hätte mit seiner Kritik Recht. Denn “Page Avenue” von 2003 ist vorhersehbar (höre “Anthem Of Our Dying Day”) und, mit Verlaub, kommerziell. Das könnte man böswillig an John Feldmans (Goldfinger-Frontmann, Produzent von u.a. The Used, Good Charlotte, Mest) Produktion festmachen, denn mit Steve Evetts (Hatebreed, Sepultura, Saves The Day, Sick Of It All) im Schlepptau klingen Story Of The Year anders: wie eine selbstbewusste moderne Metal-Band, die sich Ausflüge in seichtere Gefilde leisten kann, weil die Songs und ihre Arrangements stimmen. Die ersten Stampf-Takte des Openers “We Dont Care Anymore” führen in die Irre, der Punkrocker “Take Me Back” verwirrt weiter, spätestens beim Dream Theater-Mittelteil von “Our Time Is Now”, dem Metal-Solo bei “Taste The Poison” und den Metallica-Riffs in “Is This My Fate? He asked them” wird klar, dass das Quartett aus St. Louis seine musikalischen Hausaufgaben, Schwerpunkt: Mengenlehre, gemacht hat. Die Schnittmengen überwiegen, dadurch entstehen Überraschungen, die das Debüt so nicht versprochen hat. Will man, wie Kollege Uschmann, der Band Echtheit und somit Stallgeruch absprechen, bewegt man sich auf sehr dünnem Eis. Die meisten US-Bands wollen unterhalten und keine Botschaften verbreiten. Das Opfer: die Originalität. Aber ist das eine neue Erkenntnis?
Jörg Staude – 8
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