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    Sufjan Stevens
    The Age Of Adz

    VÖ: 08.10.2010 | Label: Asthmatic Kitty/Soulfood
    Text: Daniel Gerhardt
    Platte des Monats
    Sufjan Stevens - The Age Of Adz

    Die Mauer fällt, das Spiel ist aus: Sufjan Stevens überwindet die Selbstzweifel und das Überangebot seiner Möglichkeiten mit einem erschütternden Meisterwerk für alle, die Eins und Null zusammenzählen können.

    Das neue Sufjan-Stevens-Album hat einen Rahmen, zwei akustische Songs mit Gitarre und Klavier, obwohl der zweite davon eigentlich ein Nachzügler ist, das Outro zum 25-minütigen “Impossible Soul”. Dieser Rahmen, sagt Stevens, sei nötig gewesen, weil man sonst vergessen könnte, dass “The Age Of Adz” ein menschliches Album ist, vielleicht nicht immer handgemacht, aber immer Kopf und Bauch und Herz, selbst wenn mal ein Computer oder gottweiß welche Effektmaschine zwischengeschaltet wird. Einmal also kriegt man das am Anfang gesagt, ein zweites Mal wird man am Ende daran erinnert. Zu glauben ist es trotzdem nicht.

    Wie “The Age Of Adz” seinen Rahmen in mehr als 70 Minuten ansägt, verbiegt, zerbricht und wieder zusammensetzt, das wäre allein schon die größte Machtdemonstration des Jahres, wenn alles Hertz und nichts Herz wäre. Stevens hat den Schachcomputer aber nicht nur gebaut, er besiegt ihn auch – und dabei entstehen Momente einer seltenen, wahrhaftigen Schönheit, wegen der es sich überhaupt erst lohnt, Musik zu hören. In den letzten zwei Minuten des Titelstücks von “The Age Of Adz” verabschieden sich die Elektronik und das Roboter-Orchester schrittweise aus dem Song, bis nur noch eine Akustikgitarre und Stevens’ Stimme übrigbleiben, eine Liebeserklärung auf den Lippen.

    Der bass- und dublastige Elektro-Pop von I Walked funktioniert genau andersrum, hier steht die Liebeserklärung am Anfang, dann kommen mehrere Refrains, und am Ende wird alles zu Sternenstaub zerrieben. Now That I‘m Older könnte anschließend das erste oder das letzte Lied sein, das jemals auf einem Klavier geschrieben wurde, so zeitlos und ungebunden an jede Tradition klingt es, mit Harfe, Opernsängerin und mehreren Versionen von Stevens‘ Stimme im Kopf. Sollte er am Ende doch nicht als größter Songwriter seiner Generation in die Geschichte eingehen, hat es zumindest nicht an diesem Stück gelegen.

    Die Texte folgen auf The Age Of Adz einem selbstbezogenen Ansatz, der überrascht, wenn man sich daran erinnert, dass Stevens letztes Jahr noch den Wunsch äußerte, hinter seinen Songs zu verschwinden. Jetzt singt Stevens über sich, jetzt lässt Stevens Chöre über sich singen, jetzt singt Stevens über seine Selbstsucht. Nachdem er zehn Jahre und fünf Alben lang alles andere versucht hatte, blieb ihm wahrscheinlich nichts anderes mehr übrig. The Age Of Adz wird so zu einer Sammlung von Liebesliedern, die sich wegbewegen vom Detailreichtum auf Michigan und Illinois, zu größerer Allgemeingültigkeit, dem größeren Ganzen. Es versöhnt sich aber auch mit allen, die bei Stevens noch immer an den Storyteller mit Banjo und Amerikakarte im Wanderrucksack denken. Alles ist immer noch da, die Cheerleader-Chants und Hektiker-Trompeten, die Songs in den Songs und am Ende sogar das Album im Album. Stevens schiebt seine Stimme durch einen Vocoder und rettet den ramponierten Ruf einer ganzen Technologie. The Age Of Adz wird dabei zum Kid A für die nächsten zehn Jahre, fast auf den Tag genau zehn Jahre danach. Geht man danach, wie viel wärmer und herzlicher es klingt, steht uns im Age Of Adz eine große Zukunft bevor.

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