Superpunk
Die Seele des Menschen unter Superpunk
Text: Hauke Hackstein / Nils Klein
Also, nimmt man Element Of Crime jetzt mal außen vor. Wobei der Vergleich ohnehin etwas hinkt. Während es Sven Regener schafft, so augenzwinkernd und zynisch zu wirken, dass man ihm lieber nicht an der Wursttheke begegnen möchte, muss man vor Carsten Friedrichs und seinem lyrischen Ich keine Angst haben. Das geht eh nicht vor die Tür, sitzt im ungewaschenen Unterhemd auf der Couch, trinkt zu viel warmes Bier, frisst fettigen Fraß und wäscht nur ab und zu den giftgrünen Ford Escort vor der Garage. So richtig zufrieden ist er damit zwar nicht, aber was soll das Gejammer schon bringen? So lange der Fernseher noch läuft, ist alles gut. Die herrlich amüsant-verbitterten Kleine-Leute-Geschichten verpackt seine Band dabei mehr als je zuvor in poppige Musik. Bläser, Udo-Jürgens-Klavier, sogar Streicher – alles kann, nichts muss. Gut, Street Credibility ist bei Superpunk nicht erst seit gestern unnötiger Ballast, und Indiegehabe gibt es hier nur noch in der akkuraten Bügelfalte. Aber genau das macht den Charme der Songs ja aus und hat allein durch die gekonnt anstrengungslose Beiläufigkeit Herz und Soul. So loszulassen und trotzdem die Qualität der Songs nicht zu vernachlässigen, sich so zwinkernd melodisch und sympathisch lässig durch ein Album zu grooven, wer macht das heut schon noch?
8/12 Hauke Hackstein
Da platzt das Fremdschäm-Thermometer: Nichts hier ist noch super, kein Punk mehr in Sichtweite.
Den Soundtrack zu einer Baumarkteröffnung, bei der der Chef der Holzzuschnittabteilung am Eingang Primeln verteilt. Oder der eines Stadtteilfests, ausgerichtet vom zweiten Vorsitzenden des Kreissparkassen-Ortsverbandes. Oder möglicherweise der für den Vatertag eines Männerklientels, das in der Freizeit ausgewaschene schwarze Wrangler-Jeans zu Multifunktionsanglerwesten trägt und mit einem dunklen Weizenbier in der Hand als Erstes am Handballvereinsfeier-Schwenkgrill anzutreffen ist – dafür kann “Die Seele des Menschen unter Superpunk” herhalten. Bausparvertrag-Punks: Das ist euer flippiger Westernhagen-Ersatz. Weil man auch nach dem achten Underberg zu Das Feuerwerk ist vorbei mitschunkelt, weil In der Bibliothek so eine dufte Nullnummer ist. Es bleibt einem dank der 100-prozentigen Ironiefreiheit im Halse stecken. Weil die Musik dich in ihrer unfassbaren (aufrichtigen) Naivität wie eine Bud-Spencer-Doppelfaust erwischt. Superpunk heben das Kleinbürgerliche aufs Podest und verweigern den Rettungsanker für diese unerbittliche Jovial-Kumpanei-Steilvorlage. Dass Bernd Begemann hier als Produzent tätig war – keine unwichtige Randnotiz. Das Gesamtpaket macht dann auch textlich ungefähr so viel Spaß, als würde man die 68er-Sponti-Sprüche auf den Innenwänden eines Festival-Dixis lesen. Bei 38 Grad Außentemperatur.
4/12 Nils Klein
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