Mit sehnsüchtig flimmernden Gitarren, markant-melodischen Bassläufen, dem akzentuierten Anschlagen des Ride-Beckens und Melodien zwischen Klage, Melancholie, Euphorie und gepflegter Twenage Angst bewegen sich Tagtraum heute mehr denn je weit weg vom Holzfällerpunk und hinein in das Gebiet, in dem Bands wie Muff Potter oder amerikanische Emo-Bands ihr Zuhause haben. Sensibler will man klingen, variabler, emotionaler, abwechslungsreicher. Ein paar schrammelig-angeschrägte Druckmomente hier, ein wenig luftige Rockstruktur da, Reste deutschpunkiger JUZ-Stimmung gemischt mit warmer Glasur. “Mein Glück” enthält Stellen, die auf atmosphärisch dichten Gitarrenpop-Platten von Bands wie Pale Stimmung erzeugen könnten und läuft dann am Ende in Tagtraums Version von Screamo aus. “Ich bin” ist eine weltumarmende Landstraßen-Film-Abspann-Hymne mit Träne im Knopfloch und Ohrwurmcharakter. “Ak(k)u” schafft es als abschließende Ballade sogar ansatzweise, eine so verregnete und schummrige Atmosphäre wie manch behutsame Indie-Band zu erzeugen. Was diese Platte letztlich dennoch eine Liga unter Bands wie Kettcar oder Muff Potter hält, ist eine gewisse Unentschlossenheit in Zusammenspiel und Gesang, sich nun völlig für Harmonie, Punch, Aggression oder Sanftheit zu entscheiden. Ein gewisses Zögern, sich auf eine Stoßrichtung ganz einzulassen. Und deutsche Texte, die mein Professor an der Uni größtenteils als “Gymnasiastenlyrik” bezeichnen würde. Zwar bin ich nicht so streng wie er, aber das machen andere Bands wirklich eleganter.
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