Ausschlaggebend ist dabei, dass nicht Plewka, sondern Deutschlands jüngster Faust-Darsteller den Platz am Mikro einnimmt. Harloff singt sicher nicht besser, verleiht den Songs allerdings eine zerrende Dringlichkeit, die gut zu dem passt, was das Tippfehler-Schreibmaschinen-Booklet, die Filmaufnahmen aus einem einfachen Studio und eines der besten politischen Videos der letzten Jahre (“Junge im Schnee”) schon vermitteln: Hier leben drei große Jungs mit viel Routine endlich mal ihren Punk aus. Songs wie “Sexy genug”, “Benzin”, “Rage” oder “Entwertet” signalisieren schon im Titel die gefletschten Zähne der Gesellschaftskritik, hier allerdings gut formuliert und erträglich bis überzeugend. “Wie gefährlich wars für dich / gefällig zu sein?” heißt es da und witzigerweise wird die Platte danach selber gefälliger. Balladen wie “Schönster Zufall” oder “Ich und Du” oder ein herzenswarmer Hit wie “Oktobertag” hätten auch Selig gut zu Gesicht gestanden. Dennoch ist dieses Album kantiger, saurer und in jedem Sinne mehr sponti’ als Selig, auch wenn es deren Basis organischer Rockmusik mit Orgel, Streichern, Bläsern und seriösem Anspruch übernimmt. Gewicht statt Geschrubbe und Poesie statt Popdiskurs auch hier. Das wird einige selig machen.
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Kein Weg zurück
VÖ: 05.05.2006