The Black Heart Procession
The Spell
Text: Philipp Welsing
In wie vielen Situationen wird Verzweiflung spürbar? In wie vielen ist man alleingelassen in einer anderen Welt, die einen nicht mehr versteht? Durch Verunsicherung in die Passivität getrieben? Ist man gefangen, so eingenommen von jemandem, dass es erst ein Zauber ist und kurz darauf ein Fluch? Es hat immer mit anderen, vor allem aber mit der einen bestimmten Person zu tun, die nicht so will, wie man will. Die nicht will, dass man will. Von der man nicht will, dass sie will. Das sagt uns “The Spell”. Es geht um das Netz, in dem man sich verstrickt hat oder hat verstricken lassen, aus dem man nun nicht mehr entkommen kann. Es geht um den Fluch, der als Liebe anfing und dann nicht mehr weichen will, wenn es keinen Sinn mehr hat zu lieben. “The clocks loose their timing/ Your spell on me has no cure.” Um die Angst vor dem Schmerz: “I carried this letter all through the winter/ In fear of what it might say.” Es dreht sich hier auch ums Bedauern – jede Sekunde, singt Pall Jenkins, sei er darin eingefroren. Und die Tage setzen Rost an. Der Himmel wird grau. “I have waited all these years here in the snow/ I have waited for a spring that never came.” Der Sirenengesang der Gebrochenen. The Black Heart Procession führen uns vor Augen: In vielen Situationen leidet man. Also braucht es Verarbeitungsmusik. Wer verletzt ist, braucht keine Comedy, das war schon immer so. Feuer mit Feuer bekämpfen, Wut mit Wut. Traurigkeit mit Traurigkeit. Mit weinenden Geigen, wehleidigem Piano, desillusioniertem, wenngleich eindringlich präsentem Gesang und finster wabernden Gitarren und Bässen stampft die Band ein Theaterspiel der Trauer aus dem Boden. Darin stakt die Black Heart Procession auf einem Kahn durch tropische Sümpfe, zieht an gesichtslosen schwarzen Gestalten vorbei und erteilt ihnen die Absolution. Ganz vorn, im dunklen Anzug, sticht Jenkins in den verhangenen Himmel und singt zu ihnen, hinter ihm erklingt der langsame Reigen, der manchen zur Depression dienen kann, anderen als einziges Hilfsmittel. Zuweilen stimmt auch Jimmy LaValle an Bass oder Piano mit ein ins Moll. Und immer merkt man, was für eine wichtige und herrliche Alternative die erzeugte Gänsehautstimmung ist zu all der Lautmalerei und dem Mallpunk, der uns umgibt.
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