The Decemberists
The King Is Dead
Text: Britta Helm
Zumindest der offizielle Pressetext zur Platte liest sich merkwürdig unmotiviert. Ja, irgendwie fehle das Epische der letzten Alben schon, wird Colin Meloy da zitiert, aber es sei schließlich auch mal ganz nett, alles Wichtige in drei Minuten rüberzubringen. Vom Roman zur Kurzgeschichtensammlung, sozusagen. Nach einem besten Album klingt das beileibe nicht, und wer in The King Is Dead mit irgendeiner Erwartung einsteigt, landet ziemlich sicher nicht am Ziel. Nach dem ersten Hören ist allein gewiss, dass da immer noch Meloy singt und dazu irgendeine Countryband spielt. Mit dem naseweisen Füllhorn Picaresque oder dem erwachsenen Kracher The Hazards Of Love hat das nicht viel zu tun.
Aber: Picaresque hatte ja auch nicht viel mit The Hazards Of Love zu tun, Neil Young wurde auch nicht im ersten Durchlauf zur Legende, und wenn man es sich genauer anhört, dann singt Meloy auf The King Is Dead so meloyig wie noch nie. Bebrillt war er immer, nerdig und quäkig und ironisch, aber erst auf dem sechsten Album seiner Band traut er sich, seinem inneren Kauz endlich die Coolness vom Kopf zu ziehen. Zum Vorschein kommt ein Hauch von wunderbarer Tattrigkeit, den man mit Mitte 30 erst einmal so hinbekommen muss und der leise verrät, dass hier jemand eben doch nicht immer absichtlich außen steht. Und es trotzdem mag. Der alte clevere Geschichtenerzähler als klassischer Singer/Songwriter, das ist eine ungewohnte Rolle, die man sich normalerweise nicht einfach so umwickeln und innendrin weiter schelmisch kichern darf. Meloy kriegt es trotzdem hin, spätestens beim zweiten Hören, wenn die seichten Gitarrenpoplieder von eben plötzlich doch hartnäckig im Kopf resonieren und es fast ein bisschen egal wird, wer diese Band ist und an welche Lieblingsalben sie nie wieder herankommen wird.
The King Is Dead ist ein Songalbum, wahrscheinlich das erste echte der Decemberists, die sonst gerne alles in Konzepte und altmodische Bilder stecken. Das ist das wirklich Oldschoolige daran und die eine Stelle, an der sie tatsächlich reduziert haben. Die Musik selbst ist prall wie immer, halt nicht so laut und neunmalklug, dafür warm wie ein Kreis aus Kaminfeuern. Die E-Gitarre klingt nach amerikanischem Rock (nach dem englischen Gewühle der letzten Jahre sei er hiermit wieder zuhause angekommen, sagt Meloy), die Geigen dürfen nicht alles, nur weil sie Geigen sind, es geht rhythmisch zu, die Instrumente halten zusammen in der kleinen Scheune außerhalb Portlands, in der The King Is Dead entstanden ist. Rox In The Box, der Song für alle, die es klasse finden, wenn in Songs gezählt wird, erinnert liebevoll daran, dass das Akkordeon längst nicht von Bord ist. Die beiden Hymns verlassen sich ganz auf schöne Melodien und dürfen das auch. Calamity Song und This Is Why We Fight sind die Essenzen: poppig, tragisch, kitschig, tolle Melodien auf spannenden Schienen. And when we die/ We will die/ With our arms unbound. Mit Ausrufezeichen. Mehr Country geht nicht. Alles andere ist weniger Decemberists.
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